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5. März 2025

Trotz Northvolt-Zittern: Der Norden will Zentrum für Batterien und saubere Energie werden


Northvolt kämpft, aber Schleswig-Holstein will trotzdem ein Hotspot für Batterie- und Energietechnologien werden. Die Chancen stehen nicht schlecht. Während eine riesige Gigafactory auf der Kippe steht, wächst in der Region ein Ökosystem aus innovativen Start-ups heran. Wie das „Clean Energy Valley“ Fahrt aufnimmt und welche Unternehmen besonders spannend sind, erzählt Alex Ohrt von opencampus.sh im Gespräch mit 1E9.


Ein Interview von Wolfgang Kerler


1E9 macht Journalismus für und mit der eigenen Community. Ab jetzt wollen wir deshalb noch häufiger Mitglieder, Freunde und Partner von 1E9 zu Wort kommen lassen, die selbst an einer besseren Zukunft arbeiten und neue Ideen entwickeln. Den Auftakt macht ein Gespräch mit Alex Ohrt von opencampus.sh – einer Initiative aus Kiel, die neue Bildungs- und Innovationsformate organisiert und jungen Talenten den Zugang zu Unternehmen und Start-ups erleichtert.


Alex steckt auch hinter dem Waterkant Festival, einem Event, das Gründerinnen, Techies, Forscher und Kreative zusammenbringt. Seit drei Jahren verleihen Waterkant und 1E9 dort gemeinsam den Green Unicorn Award an Start-ups, die mit innovativen Ideen an einer nachhaltigen Zukunft arbeiten.


Alex Ohrt beim Waterkant Festival 2024. Bild: Waterkant Festival
Alex Ohrt beim Waterkant Festival 2024. Bild: Waterkant Festival

In dieser ersten von regelmäßig stattfindenden Update-Schalten zwischen München, wo 1E9 sitzt, und Kiel, wo opencampus.sh zuhause ist, sprechen wir über die unsichere Zukunft der geplanten Northvolt-Gigafactory in Schleswig-Holstein. Und darüber, warum sich in der Region gerade trotzdem ein echtes „Clean Energy Valley“ entwickelt – mit vielversprechenden Batterieprojekten und einer aufstrebenden Start-up-Szene im Energiebereich.

 

1E9: Alex, lass uns gleich über das Tech-Thema aus Schleswig-Holstein sprechen, von dem ganz Deutschland mitbekommen hat: die geplante Gigafactory des schwedischen Batterieherstellers Northvolt. Die Bauarbeiten gehen bisher zwar weiter, aber das Mutterunternehmen steckt seit Monaten in finanziellen Schwierigkeiten. Wie siehst du die Lage?


Alex Ohrt: Ich würde nicht sagen, dass die Fabrik in Schleswig-Holstein aktuell auf der Kippe steht. Aber es ist für unseren Standort natürlich kein schönes Signal. Daran sieht man aber, dass es eine Herausforderung ist, wenn man sich wie Northvolt stark auf die Automobilindustrie fokussiert – und die zu wenig E-Autos verkauft. Wie sich das langfristig entwickeln wird, bleibt im Moment noch eine offene Frage.


Aber Northvolt ist ja nicht das einzige Batterieprojekt bei euch, oder?


Alex Ohrt: Genau, nur haben das noch nicht alle auf dem Schirm. Zum Beispiel entstehen hier gerade zwei der größten Batteriespeicherprojekte Deutschlands. Die sollen dazu beitragen, Überkapazitäten von Windstrom zwischenzuspeichern und so die Stabilität des Stromnetzes zu erhöhen. Das ist für die Energiewende ein echter Gamechanger.


Ein weiteres Beispiel ist UniverCell, ein erfolgreiches Start-up aus Schleswig-Holstein und mittlerweile einer der größte Elektroden- und Zellfertiger in Europa. Die setzen nicht auf den Massenmarkt für Elektroautos, sondern auf spezialisierte Anwendungen.


Und ihre Elektroden und Batteriezellen kommen unter anderem in Power-Tools, also akkubetriebenen Werkzeugen, aber auch in medizinischen oder maritimen Anwendungen, in der Robotik, dem elektrischen Fliegen, in der Schifffahrt und in der Medizintechnik zum Einsatz. Sie suchen sich also immer neue Nischen und sind dann darin erfolgreich. Die Kunden werden begleitet von der Produktidee aus dem Labor bis zur Massenproduktion und erhalten so Maßanfertigungen in Serie.


Blick in die Batterie-Fertigung von UniverCell. Bild: UniverCell
Blick in die Batterie-Fertigung von UniverCell. Bild: UniverCell

Anders als viele andere Hersteller produzieren sie nicht nur die Zellen selbst, sondern auch die Elektroden dafür. Damit können sie ihre Produkte besser anpassen und sich unabhängiger von Lieferketten machen. Die Strategie geht auf: UniverCell betreibt jetzt eine eigene Gigafactory mit einer verfügbaren Kapazität von 1,5 Gigawattstunden und die nächste Ausbaustufe ist schon in Planung.


Warum Schleswig-Holstein? Also klar, grüne Energie ist ein Argument, aber reicht das als Standortvorteil?


Alex Ohrt: Das ist definitiv ein Faktor. Eine Batteriefabrik braucht viel Strom – und wenn der grün ist, macht das wirtschaftlich und ökologisch Sinn. Aber es geht um mehr. Kiel hat mit seinen vier Hochschulen einen starken Talentpool, um den aber nicht, wie zum Beispiel bei euch in München, DAX-Konzerne, Big-Tech-Unternehmen und Start-ups gleichzeitig konkurrieren. Und dann gibt es noch das „Clean Energy Valley“-Narrativ, das immer stärker wird. Schleswig-Holstein will sich als Vorreiter für erneuerbare Energien positionieren. Das lockt Unternehmen an.


Was hat es mit dem Clean Energy Valley auf sich?


Alex Ohrt: Das ist eine Art Cluster für erneuerbare Energien, nachhaltige Innovationen und grüne Industrien, das sich hier entwickelt. Es geht darum, Unternehmen aus der Energiebranche, Forschungseinrichtungen und Infrastrukturprojekte zu vernetzen. Schleswig-Holstein hat ohnehin schon eine starke Stellung in Sachen Windkraft und Grüner Wasserstoff, und das Clean Energy Valley soll das weiter ausbauen.


Neben Northvolt und UniverCell – gibt’s da noch andere Unternehmen und Start-ups, die man in diesem Clean Energy Valley auf dem Schirm haben sollte?


Alex Ohrt: Ja, da tut sich einiges. Ich habe ein paar Beispiele gesammelt:


  • Eniqo entwickelt Systeme für das intelligente Laden von Elektrofahrzeugen. Besonders für Unternehmen mit großen Fahrzeugflotten ist es wichtig, dass Ladevorgänge optimal gesteuert werden, um Kosten zu sparen und das Stromnetz nicht zu überlasten. Eniqo kombiniert Software und eigene Hardware, um genau das zu ermöglichen.


  • IO-Dynamics entwickelt ebenfalls Software, die Elektrofahrzeuge in einer Flotte intelligent auflädt. Das bedeutet, dass Autos genau dann geladen werden, wenn der Strom besonders günstig oder aus erneuerbaren Quellen verfügbar ist – und nicht alle auf einmal, was das Netz belasten würde.


  • Encentive nutzt Künstliche Intelligenz, um den Energieverbrauch in Fabriken oder großen Betrieben automatisch zu optimieren. Das bedeutet, dass Maschinen und Prozesse genau dann laufen, wenn Strom am günstigsten oder am umweltfreundlichsten verfügbar ist. So können Unternehmen ihre Energiekosten senken und CO₂ sparen.


  • PPA-Connect betreibt eine Plattform, über die Unternehmen langfristige Stromverträge direkt mit Wind- oder Solarparks abschließen können. Solche „Power Purchase Agreements“ helfen dabei, erneuerbare Energien wirtschaftlicher zu nutzen und die Abhängigkeit von schwankenden Strompreisen zu verringern.


  • NAECO Blue erstellt präzise Vorhersagen für die Einspeisung erneuerbarer Energien ins Stromnetz. Da Wind- und Sonnenenergie wetterabhängig sind, hilft eine gute Prognose, das Netz stabil zu halten und teure Reservekraftwerke seltener einzusetzen.


  • Coher Sense entwickelt Sicherheitssysteme für Wasserstoffspeichertanks. Da Wasserstoff leicht entzündlich ist, sind zuverlässige Überwachungssysteme entscheidend, um Unfälle zu vermeiden.


  • CarbonFreed bietet mit der Plattform gridcert eine Lösung, um neue Solaranlagen oder Windparks schneller ans Netz zu bringen. Die bürokratischen Hürden sind oft hoch, und ihre Software vereinfacht und beschleunigt den Zertifizierungsprozess.


  • ProTecBird setzt KI ein, um Vogelkollisionen mit Windrädern oder Flughäfen zu verhindern. Spezielle Kameras und Algorithmen erkennen Vögel frühzeitig und können Windräder sogar vorübergehend stoppen, wenn Gefahr besteht.


  • Colocation.green betreibt umweltfreundliche Rechenzentren. Da diese riesige Mengen an Strom verbrauchen, setzt das Unternehmen auf erneuerbare Energien und besonders effiziente Kühltechnologien.


  • Carbo-FORCE baut Anlagen, die aus landwirtschaftlichen Abfällen oder Holzresten wertvolle Rohstoffe gewinnen, statt sie einfach zu verbrennen. Das hilft, natürliche Ressourcen besser zu nutzen und CO2 einzusparen.


Spannende Liste. Das heißt, um den Clean-Energy-Standort und auch die Start-up-Szene in Schleswig-Holstein steht es aktuell trotz der Zitterpartie um Northvolt gar nicht so schlecht?


Alex Ohrt: Absolut. Trotz der Unsicherheiten bei Northvolt entwickelt sich Schleswig-Holstein dynamisch weiter. Und ich bin optimistisch, dass der Trend anhält!


Titelbild: Wolfgang Weiser via pexels

Wolfgang Kerler

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Kommentare (2)

Grundsätzlich ein sehr positiver Bericht über Schleswig-Holstein, dem ich auch in weiten Teilen zustimmen kann. Ebenso kann ich der Argumentation von Alexander Orth weitestgehend folgen. Allerdings sollte man neben den genannten Startups, die laut Impressum teilweise ihren Sitz außerhalb von Schleswig-Holstein haben, die etablierten Unternehmen auf keinen Fall vernachlässigen.

Vor dem Hintergrund der Überschrift: „Trotz Northvolt-Zittern: Der Norden will Zentrum für Batterien und saubere Energie werden“ ist es aus meiner Sicht beinahe sträflich den Hightech-Gewerbepark „InnoQuarter“ (https://innoquarter-itzehoe.de) in Itzehoe komplett außen vor zu lassen. Das InnoQuarter ist die erste Adresse im Bereich Batterietechnik im Norden. Nirgendwo sind geballt so viele Unternehmen in einem Gewerbepark vereint, die sich mit der kompletten Wertschöpfungskette inklusive Forschung und Entwicklung im Batteriebereich beschäftigen. Durch das Fraunhofer-Institut für Siliziumtechnologie (ISIT) entstehen regelmäßig weitere Spin-offs mit neuen Batterietechnologien für weitere Applikationen und eine permanente Weiterentwicklung der Zell- und Batterietechnologie. 

 

Fraunhofer-Institut (ISIT), Itzehoe

Geschäftsfeld Leistungselektronik und Batterie-Zellentwicklung, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen

Das Geschäftsfeld Leistungselektronik des Fraunhofer ISIT entwickelt und fertigt innovative aktive und passive Leistungshalbleiterbauelemente auf Basis von Silizium und Galliumnitrid, entwickelt daraus leistungselektronische Systeme und integriert diese mit leistungsfähigen Batteriespeichern für Spezialanwendungen zu Hochleistungsspeichersystemen. Das Institut betreibt das Forschungszentrum für angewandte Batterietechnologie Schleswig-Holstein (FAB-SH) und ist an der Fraunhofer Forschungsfertigung Batteriezelle (FFB) in Münster beteiligt.

 

CustomCells

Die CustomCells Holding GmbH betreibt Forschung und Entwicklung im Bereich der Energiespeicherung, insbesondere im Zusammenhang mit fortschrittlicher Batterietechnologie. Das Unternehmen arbeitet an der Industrialisierung von Hochleistungs-Batterien, produziert customized Batteriezellen und Batterien und bietet Lösungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

 

Alzner Battery Itzehoe (Alzner Automotive)

Seit 2020 entwickelt und fertigt der neue Unternehmensbereich Alzner Battery in Itzehoe Hochleistungs-Batteriesysteme für stationäre und industrielle Anwendungen.

 

Liacon

Die Liacon GmbH ist ein Entwickler und Hersteller von Hochleistungs-Lithium-Ionen-Batterien. Das Unternehmen betreibt Forschung und Entwicklung im Bereich der Energiespeicherung, insbesondere mit Fokus auf Lithium-Eisen-Phosphat (LFP)-Technologie.

 

Celtrix GmbH

Hersteller von Batterien für Medizintechnik und Dual-Use-Drohnen-Batterien.

 

Reese und Tech

Hard- und Software-Entwickler für Batterie-Managementsysteme

 

Vishay siliconix

Lieferant für Komponenten und Sensorik für Batteriemanagementsysteme

 

MOE

Zertifizierung, Testung und Inspektion von Batterie Speichersystemen

 

Walter-Otto-Müller

Oberflächenbeschichtungen für Batterie-Zellverbinde und Gehäuseteile.

 

Prokon

Projektierung, Vertrieb und Service von Windenergieanlagen, Solaranlagen und Batteriespeicher.

 

In Bezug auf Clean-Energie gibt es neben dem folgenden Trio natürlich eine Vielzahl weiterer, ansässiger Unternehmen, die man hier auflisten könnte. Man darf in diesem Zusammenhang ebenfalls gerne erwähnen, dass Schleswig-Holstein eines der Bundesländer ist, das in Sachen Green-Energy am weitesten entwickelt ist und wir bereits mehr grüne Energie erzeugen als wir verbrauchen.

 

Vestas

Hersteller von Groß-Windenergieanlagen inkl. Service

 

GP Joule

Beratung, Bau und Betrieb von PV-Energieparks, Windenergieparks, stationäre Batteriespeichern, Ladeinfrastruktur, Grün-Stromhandel-und Provider und Nahwärmenetze

 

GreenTec-Campus

Entwickler von Onshore- und Offshore-Windpark-Service, Agrisolar, autonomes Fahren, Umrüstung von Diesel-Bussen auf E-Busse uvm.

 

Wenn man eine so kernige Überschrift über einen Artikel wählt und über ein ganzes Bundesland schreibt, dann ist man meiner Meinung nach auch verpflichtet, die Messlatte bei der Recherche entsprechend hoch zu legen. Nichtsdestotrotz freue mich über den für Schleswig-Holstein positiven Bericht. Ich konnte hoffentlich überzeugend darstellen, warum das InnoQuarter in Itzehoe im Kontext nachgereicht werden musste.

 

Torsten Johnson (IZET Innovationszentrum Itzehoe)

 

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Super Ergänzung, vielen Dank! Dann passt die Überschrift ja umso besser :-)

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