5. Mai 2025
Statt SpaceX: Mit Nyx will The Exploration Company Europas Raumschiff bauen

Wer Fracht zu Raumstationen und zurück transportieren will, kommt an SpaceX mit seiner Dragon-Kapsel nicht vorbei. Noch. Mit The Exploration Company arbeitet ein deutsch-französisches Start-up an einer europäischen Alternative. Mitte Juni steht der Start der ersten vollausgestatteten Kapsel an. Wir haben am Standort in Planegg bei München vorbeigeschaut.
Von Wolfgang Kerler
„Wir bauen ein Fahrzeug, das im Weltraum Fracht von A nach B bringt“, erklärt Maximilian Strixner. „A ist in der Regel eine Rakete. B ist meistens eine Raumstation.“
Kurze, nüchterne Sätze, die das Geschäftsmodell des deutsch-französischen Start-ups The Exploration Company, das im Juli 2021 gegründet wurde, auf den Punkt bringen. Der Hauptsitz des Unternehmens im Gewerbegebiet von Planegg bei München macht einen ähnlichen Eindruck: ein schmuckloser Gewerbebau, weiße Wände und IKEA-Möbel. In der Mittagspause werden Biertische aufgestellt. Fokus auf das Wesentliche. Nur die schicke Website bildet eine Ausnahme.

Der Verzicht auf Phrasen oder Interior Design zeugt jedoch nicht von mangelnder Passion. Die rund 260 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wissen, dass The Exploration Company zu den wichtigsten Raumfahrt-Start-ups Europas gehört. Wenn sie es nicht schaffen, ein Raumschiff zu bauen, wird der Kontinent womöglich von SpaceX und anderen US-Unternehmen abhängig bleiben – und müsste einen Milliardenmarkt, der durch den Bau privater Raumstationen entsteht, anderen überlassen. Sie wollen deshalb liefern. Pünktlich und im Budgetrahmen.
Maximilian Strixner stieß ein Jahr nach der Gründung zum damals kleinen Team dazu. Er folgte dem Start-up aus Interesse von Tag 1 auf LinkedIn, wurde dann vom Team angeschrieben, ob er sich vorstellen könnte, dort zu arbeiten. „Letztendlich habe ich einen echt genialen Job aufgegeben“, erinnert er sich im Gespräch mit 1E9. „Aber es war die richtige Entscheidung.“ Als Additive Manufacturing Senior Engineer ist er für den 3D-Druck der Triebwerke zuständig. Dazu später mehr.
Erst die ISS, dann private Raumstationen: Nyx soll ab 2028 Fracht transportieren
Bei The Exploration Company dreht sich alles um Nyx. So heißt die griechische Göttin, die über Nacht und Kosmos herrscht – und das Raumfahrzeug des Start-ups. An Bord von Schwerlastraketen wie der Falcon 9 von SpaceX oder der europäischen Ariane 6 soll Nyx ins All befördert werden, selbständig zu Raumstationen fliegen, andocken, Fracht zustellen, wieder beladen werden und die Fracht zur Erde zurückbringen. Immer und immer wieder, denn Nyx soll wiederverwendbar sein.
Geplant sind vier Ausführungen des Raumschiffs: Nyx Earth soll im niedrigen Erdorbit Raumstationen beliefern, als temporäre Raumstation fungieren, oder als Nyx Gateway das Lunar Gateway versorgen – also die im Mondorbit geplante Station von NASA, ESA, der japanischen JAXA und der kanadischen CSA. Nyx Moon soll dann sogar auf der Mondoberfläche landen, um vom Gateway aus Fracht zu geplanten Basisstationen zu transportieren.
„2028 wollen wir mit Nyx Earth zum ersten Mal an eine Raumstation andocken“, sagt Maximilian Strixner, „an die ISS.“ Der Auftrag dafür stammt von der ESA, die im Rahmen des LEO Cargo Return Service-Projekts nach privaten Anbietern suchte, die Fracht zur und von der ISS transportieren können. „Das wird die erste wirklich kommerzielle Mission, die wir durchführen. Die muss funktionieren, damit wir daraus ein Serienprodukt und einen verlässlichen Service machen können. Deswegen liegt der Fokus der Firma darauf.“ 2030 soll dann Nxy Moon den ersten Einsatz haben.

Der erste kommerzielle Auftrag wird für die europäische Weltraumagentur ESA durchgeführt, die von den ESA-Mitgliedstaaten finanziert wird. Außerdem hat sich das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) als Ankerkunde den Transport von 160 Kilogramm Ladung für wissenschaftliche Experimente in der ersten Mission von Nyx gesichert.
Danach soll für The Exploration Company außerdem das Geschäft mit privaten Raumstationen sehr relevant werden, von denen aktuell gleich mehrere geplant sind: Axiom Station vom gleichnamigen amerikanischen Betreiber, Haven-1 vom amerikanischen Start-up Vast Space, Starlab der Unternehmen Voyager Space, Airbus, Mitsubishi und MDA. Sie alle sollen ab 2026, 2027 und 2028 für kurzzeitige bemannte Forschungsmissionen zur Verfügung stehen. Zum Teil werden sie auch für kleine Produktionslinien oder Weltraumtourismus konzipiert.
„Die privaten Raumstationen sind unsere Hauptkunden, für die wir alles Mögliche transportieren werden: Nachschub für Astronauten und Experimente zu den Kapseln bringen, Müll zurücktransportieren, zum Beispiel“, sagt Maximilian Strixner. „Mit Axiom, Starlab und Haven haben wir schon Verträge über insgesamt 800 Millionen Euro abgeschlossen. Und das sind keine Absichtserklärungen, sondern tatsächlich Verträge, bei denen nach Erreichen der vereinbarten Meilensteine Geld fließt.“
In Europa sieht das Start-up aktuell keine kommerzielle Konkurrenz in den Startlöchern – dafür existiert in den USA der Platzhirsch. Denn bisher dominiert SpaceX mit seiner Dragon-Kapsel den Markt für Weltraumfracht.
Mission Possible: Mit SpaceX ins Weltall – im Juni 2025
Die erste kommerzielle Mission soll 2028 stattfinden, doch sie hat Vorläufer. Schon kurz nach der Gründung im Jahr 2021 gewann The Expoloration Company eine Ausschreibung zum Bau einer Miniaturkapsel namens Nyx Bikini, die mit der neuen Ariane 6-Rakete bei ihrem Jungfernflug in den Orbit gebracht wurde. Ende 2022 sollte sie fertig sein, nach nur neun Monaten Entwicklungszeit. Und das war sie auch – nur die Ariane 6 noch nicht, deren Fertigstellung sich immer weiter verzögerte.

„Die Kapsel hat fast zwei Jahre auf ihren Start gewartet“, erinnert sich Maximilian Strixner. Anfang Juli 2024 war es dann so weit: Mission Bikini flog mit der Ariane ins All. „Leider hat das erneute Zünden der Oberstufe der Rakete für das Deorbiting dann nicht funktioniert, worauf wir keinen Einfluss hatten.“ Aus einer zweistündigen Mission, die mit dem Wiedereintritt der Kapsel in die Atmosphäre enden sollte, wird jetzt einen 19-jährige Mission. So lange wird Bikini im Orbit kreisen. Trotzdem wertet das Start-up die Mission als Erfolg. „Wir sind im All und konnten wichtige Erkenntnisse gewinnen.“
Viel wichtiger wird die in wenigen Wochen anstehende zweite Demonstrationsmission – Mission Possible. Mit einer Falcon 9-Rakete soll dann eine etwas kleinere, aber dem späteren Serienprodukt weitgehend entsprechende Version von Nyx Earth in den Weltraum gebracht werden.
„Das ist unser erster kontrollierter Wiedereintritts-Demonstrator mit kommerziellen und institutionellen Nutzlasten, bei dem wir zeigen wollen, was wir können: Wir können das Raumfahrzeug bauen, testen, qualifizieren, die Nutzlasten von Kunden betreiben, mit dem Launcher hochschicken, wieder eintreten lassen, den Fallschirm aufgehen lassen, die Kapsel im Meer landen lassen, wieder herausfischen und die Nutzlasten unseren Kunden wieder übergeben.“ Mit Ausnahmen des Andockens an eine Station ist das alles, was die späteren Nyx-Versionen können müssen. Der Erfolg von Mission Possible ist nicht nur aus technischer Hinsicht wichtig, sondern auch, um bei Investoren weiteres Geld einzusammeln.

Im November 2024 konnte The Exploration Company die erfolgreichste Series-B-Finanzierungsrunde vermelden, die je ein europäisches Raumfahrt-Start-up abschließen konnte: Wagniskapitalgeber wie Balderton Capital, Plural, Bessemer Venture Partners oder auch die deutschen staatlichen Fonds DeepTech & Climate Fonds sowie Bayern Kapital investierten 150 Millionen Euro ins Unternehmen. In früheren Finanzierungsrunden kamen bereits 66 Millionen zusammen.
Triebwerke aus dem 3D-Drucker: absolute Präzision erforderlich
Beim 1E9-Besuch bei The Exploration Company in Planegg steht die Mission-Possible-Kapsel noch mitten in der großen „Integrationshalle“, in der unweit der Büros alle Bauteile zusammengefügt werden – Flugsteuerung, Bordcomputer-Module, Elektronik, Tanks, Hitzeschild, Fallschirme und so weiter.
Die Hülle des Raumfahrzeugs ist beige – und nicht etwas metallisch oder lackiert. „Das ist eine Korkverbindung, dem Kork in Birkenstock-Schuhen gar nicht so unähnlich ist“, erklärt Maximilian Strixner. „Das Material ist sehr gut für die Hitze beim Wiedereintritt in die Atmosphäre geeignet, weil er sich dabei kontinuierlich abbaut, wodurch sich eine Plasmaschicht bildet, die sich um die Kapsel als Schutzglocke legt. Das nennt sich ein ablatives Hitzeschild.“ Am Hitzeschild wird eine Temperatur von bis zu 3.000 Grad Celsius erwartet, die Temperatur innerhalb der Kapsel soll dennoch bei 40 Grad Celsius bleiben. Das alles muss die Kapsel, die ansonsten vor allem aus Aluminium besteht, aushalten. Abgesehen von den minus 150 Grad in All.
Die „3D-Druckerei“ befindet sich in einem eigenen Raum – Maximilian Strixners wichtigster Einsatzort. Schichten von Metallpulvern werden hier per Laser zu den selbst designten Triebwerken miteinander verschmolzen. Dabei ist absolute Präzision erforderlich – und das „bei einem der komplexesten Designs in der gesamten 3D-Druck-Welt“.
Ist nur einer der feinen Kühlkanäle am Ende mit Metallpulver verstopft – „dann ist’s vorbei“. Das Triebwerk schmilzt, wenn das flüssige Bio-Methan als Treibstoff verbrannt wird, und fällt damit aus. Drei Generationen von Schubkammer-Baugruppen, die bereits für künftige Mondlandungen entwickelt werden, haben Maximilian Strixner und seine Kollegen bereits am Prüfstand getestet. „Bisher sind wir mit den Ergebnissen zufrieden.“ Auf dem Smartphone zeigt er ein Video des jüngsten Tests. „Das Bauteil hat überlebt.“
Genau wie die Triebwerke werden die meisten anderen Nyx-Komponenten von The Exploration Company selbst entwickelt – selbst Betriebssystem und Flugsoftware für die Bordcomputer. „Das Raumfahrt-Business ist technisch so komplex, dass unglaublich viel selbst konzipiert werden muss. Trotzdem wollen wir es als privates Unternehmen schaffen, immer billiger und schneller zu werden.“
Langfristig verfolgt The Exploration Company ein Ziel, das sogar noch anspruchsvoller ist – und noch einmal ganz andere Labor- und Sicherheitsbedingungen erfordert: „Wir wollen Astronauten mitnehmen.“ Die Architektur der Nyx-Kapseln wäre jedenfalls schon heute für den Transport von Menschen ausgelegt.
Du willst erfahren, ob Mission Possible erfolgreich war? Dann komm zum Festival der Zukunft von 1E9 und Deutschem Museum, wo Maximilian Strixner von The Exploration Company am 4. Juli eine Keynote halten wird.

Wolfgang Kerler
Chefredakteur
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