5. Juni 2025
Mit Milliardären in einer Berghütte: Wie der HBO-Film Mountainhead die Tech-Elite entlarven will

Im Satire-Film Mountainhead des Schöpfers der gefeierten Serie Succession verbringen vier ultrareiche Tech-Mogule ein Wochenende in einer Waldhütte. Währenddessen sorgt die KI-Technologie von einem von ihnen für Chaos, Unsicherheit und Tote auf den Straßen in etlichen Ländern. Das ist nicht nur sehr absurd, sondern auch unterhaltsam, zeigt aber auch, wie schwer die bizarre Welt der Technologie-Fürsten auf die Schippe zu nehmen ist.
Von Michael Förtsch
Die Welt versinkt im Chaos. Und was machen die Tech-Milliardäre? Sie gehen für einen intellektuellen Austausch in eine Luxuswaldhütte und machen auf best buddies. So beginnt der gerade auf HBO veröffentlichte Satirefilm Mountainhead des Succession-Erfinders Jesse Armstrong. Dass der Film ausgerechnet jetzt erscheint, ist kein Zufall. Armstrong hat dem Sender HBO die Produktion im Dezember letzten Jahres vorgeschlagen, das Drehbuch während der Suche nach Drehorten geschrieben und den gesamten Film im März 2025 abgedreht. Der Streifen ist als Kommentar zur derzeitigen gesellschaftlichen Lage in den USA gedacht, insbesondere aber zum ethisch und moralisch fragwürdigen Handeln der Silicon-Valley-Elite, die sich gerne als reflektierte Geistesmenschen und Weltenretter darstellt, letztlich aber das Gegenteil ist. Sie sind gleichsam intelligente wie stupide Machtmenschen, die letztlich auf nur eines hinarbeiten: noch mehr Macht und noch mehr Geld. Egal, was es…, nein, nicht sie, sondern andere kostet. Das Konzept gelingt und misslingt Jesse Armstrong zugleich.
Mountainhead konzentriert sich auf vier Mogule aus dem Silicon Valley, die sich in das Retreat zurückziehen, das in einem Anwesen nahe Park City, Utah, gefilmt wurde. Sie sind fiktiv. Doch mit etwas Kenntnis der Tech-Branche lässt sich erahnen, wer als Inspiration für welchen Charakter hergehalten hat. Armstrong selbst hat bestätigt, dass die Figuren so etwas wie „Frankenstein'sche Monster“ sind, die aus Versatzstücken verschiedener gut bekannter Persönlichkeiten zusammengenäht wurden.
Da wäre Randall Garrett, gespielt von Steve Carell. Er ist ein älterer einflussreicher Investor, der wie Peter Thiel und Marc Andreessen fest an den Akzelerationismus glaubt. Er sieht den Fortschritt als Möglichkeit, ein Utopia zu schaffen und sich selbst vor dem Tod durch eine unheilbare Krebserkrankung zu retten – auch wenn dafür die Demokratie leiden oder sogar sterben muss. Wie der technologiegläubige Investor Naval Ravikant oder der neoreaktionäre Philosoph Curtis Yarvin kleidet er seine Gedanken gerne in großspurige historische Metaphern und pseudophilosophisches Dampfgeplauder.
Venis Parish, gespielt von Cory Michael Smith, ist der derzeit reichste Mensch der Welt und Gründer der riesigen Social-Media-Firma Traam, die gerade mehrere KI-Tools veröffentlicht hat. Diese werden jedoch für die Erstellung von kaum von der Realität zu unterscheidenden Fake-Videos und Desinformationen missbraucht und haben dadurch Konflikte in Pakistan und anschließend in Indien ausgelöst. Ähnlich wie WhatsApp von Mark Zuckerbergs Meta, das in Indien als Kanal für Gerüchte und Verschwörungstheorien verantwortlich war und zu mehreren Lynchmorden geführt hat. Venis ist aber auch vom Weltraum und der Digitalisierung des menschlichen Verstandes besessen und pflegt eine merkwürdige Beziehung zu seiner Mutter und seinem Kind.
Der geniale und freundliche Jeff Abedazi, gespielt von Ramy Youssef, steht dem Wirken seiner Kollegen kritisch gegenüber. Er gründete ein KI-Start-up namens Bilter, dessen KI-Technologie unter anderem dazu dient, Fakes wie jene von Traams KI-Systemen gezielt aufzudecken – und die Kurse seiner Aktienanteile steigen daher massiv. Er sieht seine Arbeit als positive Entwicklung für die Welt. Ganz wie Demis Hassabis, Dario Amodei oder Sam Altman. Jeffs KI könnte die Lösung für Venis’ Chaos sein. Doch Jeff hadert, ob er sein Werk wirklich dem kompromisslosen Multimilliardär überlassen will – selbst, wenn er dadurch „crazy rich” werden würde.
Und Hugo „Souper“ Van Yalk, gespielt von Jason Schwartzman, ist der Möchtegern der Gruppe. Er hat das monströse Anwesen in den Bergen gebaut und prahlt damit, dass sich die Baukosten verdreifacht haben: „Aber Qualität ist nun mal Qualität.“ Er ist zwar reich, aber im Vergleich zu seinen Kollegen dennoch ein armer Schlucker. Er kann nur 520 Millionen US-Dollar vorweisen, keine Milliarden, eben genug für die Suppenküche. Er lechzt nach der Anerkennung der Gruppe, aber versucht sich auch selbst davon zu überzeugen, dass er diese eigentlich nicht braucht. Er sieht sich, ähnlich wie Jack Dorsey, auf dem Pfad zur Erleuchtung. Gleichzeitig arbeitet er an der Meditations-App Slowzo, die er nach und nach zu einer Lifestyle-Super-App ausbauen will. Sie soll ihn irgendwann in die gleichen finanziellen Sphären katapultieren wie die, in der seine vermeintlichen Freunde spielen.
Irre Machtfantasien
Das Treffen der selbsternannten Könige der Welt beginnt mit freundlichen Umarmungen, die jedoch eine bereits angespannte Situation überspielen sollen. Denn die tödliche Wirkung der KI-Tools von Traam ist in allen Medien präsent: in den Nachrichtensendungen, auf Social Media und Instant Messages, die die Milliardäre erreichen. Jeff kann nicht umhin, Venis zunächst stichelnd, dann mit immer ernsthafterer Sorge darüber auszufragen, wie er damit umzugehen gedenkt. Vor allem Souper ist jedoch bemüht, solche Konflikte im Namen der Harmonie zu relativieren und abzudrängen. Er organisiert eine Bergwanderung mit der Gruppe, bei der alle vier auf einem Gipfel stehen, sich die Höhe ihres Vermögens auf die Brust schreiben und dann ihre Überlegenheit in die Welt hinausschreien.
Wieder zurück, werden sie jedoch von der Wirklichkeit eingeholt. Die durch KI-Fakes verursachten Konflikte weiten sich aus. In Indien sterben Hunderte Menschen, weil sich Videos von vermeintlichen Vorbereitungen für Angriffe auf religiöse Einrichtungen verbreiten. Der Bürgermeister von Paris wurde ermordet und die Türkei und Armenien mobilisieren nach gefakten Kriegserklärungen ihre Truppen. Auf dem Roten Platz in Moskau demonstrieren 300.000 Menschen. Venis versucht, das Chaos als „perfekte Werbung“ für die Fähigkeiten seiner KI-Tools sowie als Moment der Katharsis zu rationalisieren, der eine überfällige Entladung menschlicher Hassgefühle darstellt. Randall sieht in den Aufständen, den Toten und der Verunsicherung einen „möglicherweise bedeutenden Moment der kreativen Zerstörung“. Er vergleicht ihn mit Mesopotamien vor 5.000 Jahren, als die Wiege der Zivilisation entstand. „Sind wir die Bolschewiken einer neuen Techno-Welt-Ordnung, die heute Abend startet?“, fragt er und spielt mit dem Gedanken, ein kleines Land aufzukaufen, „um ihnen zu zeigen, wie es richtig geht“: Venezuela, Kuba, Haiti und Argentinien? Einfach in Krypto-Netzwerk-Staaten umbauen!
Während die Welt immer weiter in Flammen aufgeht, schlagen die Ambitionen der Tech-Plutokraten immer höher aus. „Wir haben die Ressourcen, die mentale Kapazität, die Voraussicht, […] um die Welt zu übernehmen“, sagt Randall. Das Stromnetz der Europäischen Union lahmlegen, weil sie aus Angst vor ähnlichen Zuständen wie in Indien und Pakistan die Dienste von Traam blockiert haben? Ein Coup gegen die USA? Alles machbar, denn ihre Software steuert Stromnetze, Überwachungs- und Militärsysteme. Doch warum nur so klein denken? „Ich wollte, dass wir ein schönes Wochenende verbringen“, sagt Souper. „Aber wenn wir China und den Nationalstaat niederringen, dann schaffen wir echte Erinnerungen.“ All das natürlich nur zum Wohle der Menschheit, um die technologische Singularität innerhalb einer Dekade zu erreichen, Unsterblichkeit zu realisieren und vieles mehr. Es ist eine zunehmend absurde Szenerie, die sich in der grotesk pompösen Berghütte abspielt.
Bei all den irren Gedankenspielen geht der KI-Entwickler Jeff mit, wenn auch etwas zögerlich und zurückhaltend. Letztlich macht er sich jedoch ernsthaft Sorgen, dass seine ultrareichen Kollegen tatsächlich nicht wiedergutzumachenden Schaden anrichten könnten. Im Vertrauen – und in der Hoffnung, dass all diese Pläne nur witzelnde Spinnereien sind – wendet er sich an Randall und fragt ihn, ob und wie die Desinformationsmaschinerie von Traam gestoppt werden könnte; ob er helfen könnte, Venis absetzen zu lassen, so dass der Aufsichtsrat eingreifen kann. Doch Randell will Venis keineswegs hintergehen. Daraufhin beschließen die drei anderen Gruppenmitglieder, dass Jeff aus dem Weg geräumt werden müsse. Er sei „ein Decel mit verrücktem p(Doom) und null Risikotoleranz“, so das Urteil. Er wolle verhindern, dass eine neue Welt geboren werde. Ihn zu platzhaltern sei die einzige sinnige Folge, die der kategorische Imperativ zulasse.
Erfolgreich gescheitert?
Mountainhead ist eher absurde als beißende Satire, erinnert mehr an Silicon Valley als an Succession – und ist gerade deswegen unterhaltsam und interessant. Der Film erfasst das Selbstverständnis und insbesondere das sehr eigene, teils äußerst unfreiwillig komische Vokabular der höchsten Kreise des Silicon Valley sehr gut – wie es etwa im kultigen All-In-Podcast zu hören ist. Dennoch nähert sich der Film den Figuren und damit auch ihren Vorbildern mit Respekt. Er degradiert sie nicht zu plumpen Parodien. Jesse Armstrong zeigt die vier Figuren als durchaus intelligente Männer, die durch ihren Erfolg und ihre Macht korrumpiert wurden. Sie sind von ihrer eigenen Überlegenheit, Logik und Exzellenz überzeugt, da sie nie folgenreich gescheitert sind. Sie sehen sich daher als geradezu mythische Führungs- und Gestaltungskräfte. Sie glauben fest daran, dass die beste Lösung für schlechte Technologie gute Technologie ist und dass sich der Nahostkonflikt mit „abgedrehtem Content“ beenden lässt.
Jedoch dekonstruiert Mountainhead auch schnell jene Überlegenheitsfantasie. Der Film fängt die Menschlichkeit dieser Tech-Milliardäre ein. Es macht sie zu Menschen, die mit Problemen, Ängsten und schwer greifbaren Gefühlen hadern und diese nicht besser oder schlechter bewältigen als alle anderen. Selbst wenn es nur die Position auf der Forbes-Liste der Reichsten der Reichen ist, die sie dann doch an sich selbst zweifeln lässt. Gleichzeitig kontrastiert der Film diese Menschlichkeit, indem er demonstriert, wie weit die Lebensrealität dieser Ultrareichen von der der normalen Menschen entfernt ist. Dass sie die Folgen ihres Tuns lediglich auf Bildschirmen sehen, statt selbst davon betroffen zu sein. Dass selbst grauenhafte Taten keine oder kaum spürbare Folgen für sie haben. Aber auch, dass sie selbst den Menschen, die ihnen am nächsten sind, die sie als Freunde betrachten und sogar lieben, nicht über den Weg trauen können – denn das Geschäft steht für sie an erster Stelle. Letztlich sind sie in vielerlei Hinsicht sehr tragische Figuren.
Dadurch gelingt und scheitert Mountainhead als Satire zugleich. Es gelingt dem Film nicht vollständig, die durchaus sehr komplexe Natur der Tech-Elite zu erfassen und auf die Schippe zu nehmen. Trotz ihrer cleveren Konstruktion bleiben Randall, Venis, Souper und Jeff leider etwas flach. Man kann sie weder mögen noch richtig hassen – oder sich um ihr Schicksal sorgen. Zuweilen wirkt Mountainhead auch etwas mutlos. Es wagt nicht, weiterzugehen, um schmerzhafte Stiche zu setzen und die Natur der Tech-Milliardäre wirklich zu entblößen. Dies könnte allerdings auch daran liegen, dass die Realität die Satire zunehmend überholt und die Figuren aus Mountainhead nicht weniger absurd oder glaubhaft erscheinen wie eben ein Peter Thiel, Elon Musk oder Marc Andreessen. Denn die Größen des Silicon Valley scheinen sich mittlerweile jenseits der Satire zu bewegen.

Michael Förtsch
Leitender Redakteur
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