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12. Februar 2025

Menschliche Präsenz im Ozean? Ein britisches Unternehmen entwickelt Unterwasserwohnungen



Ein anonymer Tech-Unternehmer finanziert ein ehrgeiziges Start-up in einem ehemaligen Kalksteinbruch in Wales. Dort entwickelt es an einem künstlichen See den Prototyp einer Unterwasserstadt, in die ab 2027 erste Menschen einziehen sollen. Das modulare Habitat soll sowohl der Forschung, militärischen Zwecken als auch als normaler Wohnraum dienen.

 

Von Michael Förtsch

 

Seit den 1930er Jahren wurde im Steinbruch Dayhouse Quarry in der Nähe der walisischen Ortschaft Tidenham, Großbritannien, Kalkstein abgebaut. Dieser wurde für den Bau von Brücken, Kirchen und Regierungsgebäuden im Wye Valley und darüber hinaus verwendet. Als der Steinbruch in den 1990er Jahren seinen Betrieb einstellte, wurde die riesige Grube geflutet. So entstand ein über 550 Meter langer, bis zu 130 Meter breiter und rund 80 Meter tiefer See, der fast 20 Jahre lang von einem Tauchausbildungszentrum genutzt wurde, das 2022 schließen müsste. Seit rund einem Jahr herrscht dort trotzdem wieder Betrieb. Denn im September 2023 kaufte eine sonderbare Firma namens DEEP den gesamten ehemaligen Steinbruch auf – eine Nachricht, die damals vor allem in den lokalen Medien Erwähnung fand.



Was das Unternehmen plant, ist spektakulär. Rund um die einstige Baggergrube und in einer riesigen Lagerhalle im 25 Minuten entfernten Hafen von Bristol entstehen ein Forschungs- und Entwicklungslabor und eine Fertigungswerkstatt. Diese sind mit modernsten Produktionsanlagen, industriellen 3D-Druckern, Mini-U-Booten, Schweißrobotern, einem Wellentank und vielem mehr ausgestattet. Über 100 Millionen britische Pfund sollen seit dem Kauf des Geländes in das Projekt geflossen sein. Das Ziel? Laut einem Deep-Sprecher geht es darum, „das Verständnis für die Ozeane und ihre wichtige Rolle für das Überleben der Menschheit zu verbessern“. Denn noch immer seien 95 Prozent der Weltmeere unerforscht. Das wolle die Firma ändern. Vor allem aber wolle sie Möglichkeiten entwickeln, um „Menschen das Leben tief unter Wasser“ zu erlauben und eine „permanente menschliche Präsenz“ in den Ozeanen zu etablieren.


„In den 1950er und 1960er Jahren gab es einen Wettlauf in den Weltraum und in die Ozeane“, sagt Mike Shackleford, Leiter der Forschung und Entwicklung bei Deep, gegenüber The Guardian. Riesige Summen wurden investiert, um immer tiefer in die Meere und den Weltraum vorzudringen. Doch schließlich verlor man das Interesse an den Meeren und „der Weltraum setzte sich durch“. Das liege insbesondere daran, so Shackleford, dass es zwar schwierig sei, in den Weltraum zu gelangen, aber wenn man einmal dort sei, könne man sich relativ leicht fortbewegen – da es ziemlich leer ist. In den Gewässern unseres Planeten sei das Gegenteil der Fall. Denn je tiefer man vordringen wolle, desto schwieriger und gefährlicher werde es durch den Druck, die Dunkelheit und noch unbekannte Gefahren. Bisher habe sich niemand ernsthaft diesen Herausforderungen gestellt und die Erforschung der Tiefsee einfacher gemacht. Genau das wolle Deep jetzt aber tun.


Wohnen unter dem Meeresspiegel


Das Hauptprojekt des britischen Start-up-Unternehmens ist ein modulares System für ein Unterwasserhabitat namens Sentinel. Es soll bis zu 50 Menschen ermöglichen, zunächst einen Monat lang, später auch deutlich länger, in bis zu 200 Metern Tiefe zu leben und zu arbeiten. Die an Tic-Tac-Kapseln erinnernden Module, die auf Pfählen ruhen, sollen je nach Bedarf zusammengesteckt werden können. Sie sollen als Wohn-, Forschungs-, Gemeinschafts-, Bade- und Küchenräume, aber auch als Gewächshaus und mehr dienen können. Im Gegensatz zu bisherigen Unterwasserstationen wie dem fünf Meter langen und 2,5 Meter breiten Conshelf, der sechs Meter langen und 2,4 Meter breiten Undersea Lodge oder dem nicht viel größeren Helgoland-Labor soll das Sentinel-System recht geräumig sein.

 

Jedes der Module soll einen Durchmesser von sechs Metern haben und damit in horizontaler Ausrichtung Platz für zwei Stockwerke bieten. Die Länge der Module soll variabel sein, da sie aus einzelnen drei Meter breiten, runden Inconel-Stahlsegmenten und je zwei Endstücken zusammengesetzt werden. Dadurch sollen auch hohe vertikale Module möglich sein, die mehrere Etagen bieten. Die Kapseln sollen in Zukunft nahezu vollautomatisch von 3D-Druckern und Robotern fabriziert werden. Auf diese Weise sollen Hunderte Quadratmeter große Unterwasserbehausungen konstruiert werden können. Das Deep-Team hofft, dass das erste Sentinel-Habitat eine Art internationale Raumstation – nur unter Wasser – wird, betrieben von Forschern aus aller Welt, die die Geheimnisse der Meere entschlüsseln wollen.

 


Auch als Unterwasserhotel oder Datacenter könnten die verbundenen Module herhalten, in denen die Server direkt mit kühlem Meerwasser auf Temperatur gehalten werden könnten. Ebenso sieht das Unternehmen mögliche Abnehmer im Militär und in Unternehmen, die kritische Infrastrukturen wie Unterseekabel, Gas- und Erdöl-Pipelines betreiben. Soldaten, Wartungs- und Überwachungstrupps könnten direkt in der Tiefe stationiert werden, in der die teuren Leitungen verlaufen. Kommt es zu einem Schaden oder einem Zwischenfall, müssten Taucher nicht erst mit Schiffen anrücken und in die Tiefe tauchen, sondern könnten direkt ausrücken. Interesse gäbe es schon – auch wenn Deep hier nicht ins Detail gehen will.


Bislang existiert das futuristische Unterwasserhabitat nur als Modell aus Holz, Spanplatten und Stoff in einer provisorischen Halle bei Tidenham. Das Mockup soll eine Vorstellung dessen ermöglichen, was Deep bauen will. Auch wurden echte Taucher und Forscher in das Modell eingeladen, um es zu kritisieren und Verbesserungsvorschläge zu machen. Nur wenige Meter von der Holzkonstruktion entfernt schweißen und schrauben Ingenieure und Metallbauer bereits an einem weiteren 1-zu-1-Modell, diesmal aus Aluminium. Dieses soll im Laufe des Jahres auf einem Ponton im Steinbruchbecken zu Wasser gelassen werden. Taucher sollen darin den Ein- und Ausstieg, Notfälle wie die Rettung bewusstloser Kollegen und vieles mehr üben. Möglichst 2025 soll dann ein erster voll ausgestatteter Prototyp in die Tiefe des Sees in der walisischen Dorflandschaft sinken. Im Jahr darauf soll der erste Sentinel einen „Tiefseetest“ bestehen.


Parallel arbeitet Deep derzeit an Vanguard. Dabei handelt es sich um eine nicht-modulare Kompaktversion von Sentinel, die aus einer einzelnen Kapsel für drei Personen samt aller nötigen Technik für den Dauerbetrieb besteht. Bereits in Kürze soll das System erstmals im Wasser getestet werden. Deep nennt Vanguard ein Pilot-Habitat, also eine Art Machbarkeitsnachweis für Sentinel. Jedoch soll das Habitat von der Größe eines Stadtbusses ebenso zielgerichtet ausentwickelt und dann verkauft werden. Es soll kleinen Teams von Universitäten und privaten Organisationen ermöglichen, in den Ozeanen zu forschen, Rettungs- und Bergungseinsätze durchzuführen, aber auch Tauch-Expeditionen zu organisieren. Zumal Vanguard ebenso einfach auf dem Ozeanboden abgesetzt wie weitertransportiert werden kann. Dies soll auch mit den Sentinel-Kapseln möglich sein, ist aber mit einigem Mehraufwand verbunden.


Der geheime Gründer


Meeresforschung, Tauchabenteuer oder Unterwasserhotellerie sollen für Deep nur der Anfang sein. Langfristig will Deep auch „dauerhafte Siedlungen in den Weltmeeren haben“, sagt Shackleford. „Unser Ziel ist es, für immer im Ozean zu leben.“ Familien sollen über Generationen hinweg in Unterwasserhabitaten wie Sentinel leben, arbeiten und das Meer zu einer weiteren Heimat für die Menschheit machen. Ganze Siedlungen sollen unter der Meeresoberfläche entstehen. Zunächst wohl für den eher wohlhabenden Teil der Menschheit, wie Sean Wolpert, Präsident von Deep, gegenüber Forbes zugibt. Denn natürlich würde Deep seine Unterwasserhäuser, sobald sie sicher und verfügbar sind, auch an Privatpersonen verkaufen, die „Aquaner“ werden und möglichst privat in der Tiefe leben wollen.

 

Personen wie der Gründer von Deep, der das Unternehmen bislang gänzlich aus eigener Tasche finanziert. Wer dieser Gründer ist, ist allerdings unsicher. Denn er hält sich anonym im Hintergrund – die Mitarbeiter von Deep, die ihn kennen, haben sich zur Verschwiegenheit verpflichtet. Bekannt ist nur, dass es sich um einen sehr vermögenden Unternehmer, einen Millionär oder gar Milliardär aus Nordamerika handeln soll. Spekulationen über seine Identität gibt es zuhauf. Einige glauben, er sei der umstrittene ehemalige PayPal- und Palantir-Gründer Peter Thiel, der Investor Ray Dalio oder der Coinbase-Gründer Brian Armstrong. Aber auch Gabe Newell, der milliardenschwere Gründer des Spieleentwicklers und -vertreibers Valve, der mit Inkfish bereits ozeanographische Forschungsorganisationen finanziert und mit Triton ein U-Boot für extreme Tiefen entwickelt hat, passt ins Bild.

Michael Förtsch

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