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5. August 2025

„Das Internet wird sein eigenes Geld haben!“ – Ian Rogers von Ledger über Krypto und den Wettstreit der Währungen


Der Internetveteran Ian Rogers hat die digitale Umwälzung der Musikindustrie von innen miterlebt. Heute ist er CXO der Kryptofirma Ledger und sieht klare Parallelen zwischen dem Aufstieg des Netzes und der Kryptowelt. Im Gespräch mit 1E9 erklärt er, warum er bei Diskussionen mit Milliardären über Anlagestrategien schmunzeln muss. Und er ist überzeugt: Die Zukunft des Geldes wird ein harter Wettbewerb, von dem am Ende vor allem die Verbraucher profitieren.


Ein Interview von Krischan Lehmann



Fast wäre es in diesem Interview mehr um die Beastie Boys als um das eigentliche Thema gegangen. Denn Ian Rogers – er baute 1993 die erste Webseite der New Yorker Rapper und begleitete sie über Jahre als "Head of New Media" – kann aus einem beachtlichen Fundus an Memorabilia schöpfen, die er gleich zu Beginn des Videocalls aus seiner Abstellkammer kramt. Aber dann dreht es sich doch schnell wieder alles um das Eine: um Geld. Und um die Zukunft der globalen Finanzwelt.


"Es steht außer Frage, dass Kryptowährungen in Zukunft zu unserem Leben gehören und die Finanzwelt verändern werden", schrieb Rogers, damals auf dem beruflichen Sprung vom Luxuskonzern LVMH zum Kryptowallet-Hersteller Ledger, in einem Medium-Post. Das war 2020. Heute hat die Kryptosphäre den Ruf des unregulierten globalen Casinos mitnichten verloren, aber es tut sich wieder was: Arrivierte Finanzinstitutionen haben Bitcoin, Ethereum & Co. als Anlageinstrumente für sich entdeckt – und auch die Trump-Regierung macht mit kryptofreundlicher Regulierung von sich reden.


Im Gespräch mit 1E9 spricht Ian Rogers über den (Gesinnungs-)Wandel der letzten Jahre, digitales Gold, Stablecoins, die Rolle Europas im Kryptowettbewerb und die Chancen für Verbraucher.


1E9: Der Mehrwert von Krypto im Alltagsleben ist ja derzeit noch überschaubar. Wer Geld online überweisen will, nutzt Paypal. Gold erklimmt als Wertspeicher neue Höhen. Und Anlagen in digitale Tokens haben noch immer viel von einem Glücksspiel. Was hat sich in den letzten fünf Jahren getan, das uns der Zukunft, wie du sie 2020 skizziert hast, näherbringt?


Ian Rogers: Eine der größten Veränderungen ist, wie die Mainstream-Finanzwelt über Bitcoin spricht. Im letzten Zyklus wurde das alles noch als Ponzi-Schema abgetan, aber die Finanzmedien – und das dürfte ein Spiegel der Finanzwelt generell sein – haben das Narrativ des digitalen Goldes inzwischen verinnerlicht. Allein das ist schon ein riesiger Wandel.


Abgezeichnet hat sich das aber schon viel früher: Ich saß mal – ich glaube, das war im März 2021 – mit den Kryptoinvestoren Raoul Pal und Michael Novogratz auf einem Panel bei einer Konferenz von JP Morgan. Und schon damals saß James Dimon, CEO von JP Morgan, direkt in der ersten Reihe. Und auch der Milliardär und Hedgefonds-Manager Ray Dalio gab auf dieser Konferenz zu, Bitcoin zu besitzen – obwohl er sich seitdem immer dagegen verwehrt hat, ein Fürsprecher der Bewegung zu sein.


Das hat dann dankenswerterweise Larry Fink übernommen, der sehr eloquent und überzeugend darlegen kann, warum die Tokenisierung von realen Vermögenswerten (RWAs) die Zukunft der Finanzen darstellt und Bitcoin wirklich ein Inflationsschutz ist. Und wenn der CEO von BlackRock so etwas sagt, dann hat das seine Wirkung. Mir hat man damals nicht geglaubt, obwohl ich es so ähnlich mal in einem Bloomberg-Interview erklärt habe: "Wenn du Pesos hast, willst du Dollars haben, und wenn du Dollars hast, wirst du Bitcoin haben wollen. Die Leute gehen immer in die Währung, die nicht so leicht abgewertet werden kann."


Ian Rogers (geb. 1972) ist Chief Experience Office von Ledger, einem führenden Anbieter von Hardware-Wallets für Kryptowährungen. Zuvor war er CDO bei LVMH, wo er die Digitalstrategie für Luxusmarken wie Louis Vuitton leitete. Davor baute er Beats Music auf, das 2014 an Apple verkauft wurde, und war auch bei Yahoo Music involviert. Rogers, ein ehemaliger Skateboarder aus Indiana, sieht Krypto als die nächste logische Evolutionsstufe der Finanzwelt.


Viele der ursprünglichen Cypherpunks und Kryptoanarchisten sahen in Bitcoin eine gelungene Parallelwelt zu einer weitgehend dysfunktionalen Finanzindustrie. Heute feiert die Kryptobranche, wenn genau diese Industrie sich digitale Währungen als neue Anlageklasse zu eigen macht. Ist das nicht, wie wenn die von Musikkritikern hochgelobte Indieband plötzlich bei einem bösen Majorlabel unterschreibt?


Ian Rogers: Das ist aber eine schön formulierte Frage – auf die du von mir eine nuancierte Antwort kriegst: Schau dir die Bitcoin-ETFs an. Sie sind in der Tat ein Wall-Street-Produkt und damit das genaue Gegenteil der Cypherpunk-Vision. Und sie sind, ohne Frage, die erfolgreichsten ETFs aller Zeiten, viel erfolgreicher, als selbst die größten Optimisten vermutet hätten.


Sie sind aber nur deshalb so erfolgreich, weil Bitcoin permissionless money ist, also ein Geldsystem, das ohne zentrale Instanz funktioniert und bei dem jeder ohne vorherige Genehmigung Transaktionen durchführen kann. Und wenn der BlackRock-CEO Larry Fink darüber redet, spricht er von "digitalem Gold" und nicht von einem "BlackRock Digital Store of Value" oder einem "US Government Digital Store of Value". Man könnte den Cypherpunks also sagen: "Leute, der gesamte Wert dieser Produkte existiert nur wegen der Architektur, für die ihr so lange gekämpft habt!" Bitcoin hat 16 Jahre lang Angriffe von Hackern, Konkurrenten und Regierungen überstanden und es gibt ihn immer noch. Sein Wert beruht auf diesen Cypherpunk-Werten, ohne sie ist er nichts...


Und jetzt ist der Präsident der Vereinigten Staaten einer seiner Fürsprecher...


Ian Rogers: Wie sich die USA plötzlich in diesen Kampf gestürzt haben, finde ich ungeheuer interessant – mit einer kompletten Kehrtwende von "Wir tun so, als gäbe es diese Technologie nicht", zu "Wir versuchen, sie zu vernichten!" – und jetzt: "Wir wollen sie anführen!” Bei dieser Show wird mir vermutlich das Popcorn ausgehen.


Ich finde es eh immer lustig, wenn mich plötzlich Milliardäre nach Anlagestrategien fragen. Ich bin ein Skateboarder aus Indiana mit einem komplett anderen Background! Andererseits habe ich schon 1995 verstanden, dass das Internet groß wird. Und ich musste mir 2002 von einem AT&T-Boss anhören, dass Video-Streaming im Internet niemals funktionieren würde...


Für mich persönlich stand 2015 fest: Das Internet wird sein eigenes Geld haben.

Du ziehst bei Krypto oft Parallelen zu früheren Entwicklungen im Netz.


Ian Rogers: Ja, und meist kann ich mich auf mein Bauchgefühl auch verlassen. Ich bin überzeugt, dass Lösungen letztendlich angenommen werden, wenn erst die technischen Probleme gelöst sind. All diese Axiome stimmen: Wir überschätzen die Auswirkungen neuer Technologien kurzfristig und unterschätzen sie langfristig. Ich liebe das Buch von Carlota Perez, das sie 2002 über die Dynamiken von Blasen geschrieben hat. Sie hat gezeigt, dass auf jede technologische Innovation eine Blase folgt, die irgendwann platzt – und danach erleben wir 30 Jahre nachhaltiges Wachstum.


Derzeit ist in der öffentlichen Debatte über Kryptowährungen von dieser Erkenntnis aber wenig zu spüren. Die Haltungen sind polarisierter denn je...


Ian Rogers: Aus der Perspektive des "Retail"-Anwenders, also des normalen Nutzers sind wir als Gesellschaft vermutlich in der Tat falsch abgebogen. Die Debatte ist parteiisch geworden – nicht unbedingt im politischen Sinne, obwohl sie auch überpolitisiert wurde, sondern es gibt wirklich nur noch Gläubige und Hasser. Zu wenige Leute denken differenziert über die Materie nach. Für mich persönlich stand allerdings auch schon 2015 fest: Das Internet wird sein eigenes Geld haben.


Und heute gehst du davon aus, dass dieses Internetgeld sogenannte Stablecoins sein werden, also digitale Währungen, die an den Euro oder Dollar gekoppelt sind und damit – anders als Bitcoin – wenig in ihrem Wert schwanken. Was ist der Vorteil von Stablecoins?


Ian Rogers: Ich würde einfach sagen, es ist Geld mit der Geschwindigkeit des Internets. Als Verbraucher denken wir ja nie über die finanziellen Belastungen für die Verkäufer nach, wenn wir unsere Karten zücken. Aber schau dir die Geschichte der Kreditkarten in den USA an: Wir hatten mal die Discover-Card und Diners Club – und ich hab meine damals heiß begehrte American Express-Karte, die ich bei LVMH bekommen habe, nach drei Monaten zerschnitten. Warum? All diese Firmen haben den Händlern zu hohe Gebühren abgeknöpft und wurden irgendwann nicht mehr akzeptiert.


In der EU sind die Transaktionsgebühren wegen gesetzlicher Bestimmungen niedriger, aber in den USA zahlen die Händler pro Einkauf 3% Gebühren. Deshalb gibt es heute Läden, in denen du erst ab einem bestimmten Geldbetrag mit Karte zahlen kannst. Das ist eine völlig unnötige Limitierung!


Wer wie die Kreditkartenfirmen als Mittelsmann Geld nimmt, ohne einen Mehrwert zu bieten, wird verschwinden, das ist meine feste Überzeugung.

Und eigentlich ist der Kredit an sich ja ein Umweg. Was wir wollen, ist digitales Bargeld, Cash! Und das gibt es jetzt. Wir haben die Technologie, um Geld für den Bruchteil eines Cents zu transferieren. Für einen Händler ist die Wahl also einfach: Entweder er verliert 3% und wartet 30 Tage auf sein Geld oder er verliert den Bruchteil eines Cents und hat es sofort. Wer wie die Kreditkartenfirmen als Mittelsmann Geld nimmt, ohne einen Mehrwert zu bieten, wird verschwinden, das ist meine feste Überzeugung.


Die Frage ist nur, wie lange das dauert. Bei uns in Deutschland könnte alles sogar noch länger dauern. Wir verabschieden uns gerade erst langsam und mit viel Wehmut vom Bargeld – und ohne Corona hätte es den Shift zur Kartenzahlung vielleicht noch gar nicht gegeben...


Ian Rogers: Ja, meist dauert es viel länger, als man denkt. "Ginge es nur nach den Gesetzen von Angebot und Nachfrage, hätte die amerikanische Stahlindustrie schon vor 75 Jahren tot sein müssen", hat Tim Wu mal zu mir gesagt. Damals war ich dieses naive Kind, das über die Digitalisierung der Musik nachgedacht hat. 1992 habe ich damit angefangen – und Apple Music haben wir dann 2015 gelauncht. Das Spannende ist, dass du immer das Endresultat vor Augen hast, aber die Details dich völlig kalt erwischen können: Wenn du mir damals gesagt hättest, dass es mit Spotify ein schwedisches Start-up ist, das das Thema digitale Musik knackt, hätte ich dich für verrückt erklärt.


Auch bei den Stablecoins dominieren derzeit Start-ups den Markt, wie z.B. Circle, das den an den Dollar gekoppelten Stablecoin USDC herausgibt, oder Tether mit dem Konkurrenten USDT. Der digitale Euro, also eine staatliche digitale Währung (CBDC), ist gerade noch in einer Testphase. Wer wird das Rennen um das Geld der Zukunft deiner Meinung nach machen?


Ian Rogers: Jetzt bittest du mich, das nächste Spotify vorherzusagen! (lacht) Und ich habe ehrlicherweise keine Ahnung. Aber die gute Nachricht ist, dass es einen echten Wettbewerb geben wird. Wettbewerb zwischen dem Dollar und dem Euro, aber auch zwischen all den Anbietern, die ihre Stablecoins pushen wollen. Das wird auf seine ganz eigene Art ein Goldrausch!


Tether hat schon heute eine der faszinierendsten Finanzstorys unserer Zeit hingelegt: Die Gründer sind eigentlich Bitcoin-Maximalisten, haben aber pro Kopf vermutlich eines der profitabelsten Unternehmen in der Geschichte der Menschheit aufgebaut: Eine Firma mit rund 100 Mitarbeitern, die Milliarden pro Quartal verdient, indem sie digitale Dollars verwahren, Unmengen an Zinsen verdienen und damit Bitcoin kaufen!


Von diesem Wettbewerb werden die Verbraucher stark profitieren.

In Summe werden wir eine Menge Dinge sehen, die an frühere Zeiten erinnern. In den USA zum Beispiel können Banken seit den 30er Jahren nicht mehr über Zinssätze konkurrieren. Deshalb bekam man in den 70ern einen Farbfernseher als Belohnung, wenn man ein Bankkonto eröffnete. Ich erinnere mich, wie ich zu Collegezeiten meine erste Kreditkarte beantragt habe, weil es dafür eine Tüte M&Ms gab. So etwas werden wir wieder sehen: "Nutze meinen Stablecoin und du bekommst all diese Vorteile!" Von diesem Wettbewerb werden die Verbraucher stark profitieren.


Dazu muss die Usability von Kryptowährungen aber noch um einiges besser werden.


Ian Rogers: Ich muss immer schmunzeln, wenn Leute sagen, wie schwer Krypto zu benutzen ist. Ich frage dann immer: "Warst du mal 1997 im Internet?" Um online zu gehen, hat man ein 14.4-, 28.8- oder 56k-Modem und eine SLIP/PPP-Verbindung benötigt. Die Tatsache, dass ein normaler Verbraucher wissen musste, was SLIP/PPP ist, ist absurd!


Oder nimm SMTP, FTP, HTML, HTTP – all das haben wir hinter uns gelassen. Heute sagst du einfach: "Hey Siri, wie ist das Wetter?" Du denkst nicht über Konnektivität nach, dein Handy wechselt nahtlos zwischen WLAN und 5G. Und genauso wird es bei diesen Zahlungssystemen sein. Du wirst eine Wallet-App haben. Mit dieser Wallet bezahlst du. Und alles, was im Hintergrund passieren muss, passiert einfach.


Also eine "Super-App" für all deine Finanzen?


Ian Rogers: Eine solche Entwicklung gibt es ja bereits. Die Kryptobörse Coinbase sieht immer mehr wie deine Banking-App aus und deine Banking-App immer mehr wie Coinbase. "Wenn ich bezahlen will, gehe ich zu PayPal. Wenn ich meinen Krypto-Kontostand sehen will, nutze ich Ledger. Und für meine Daueraufträge habe ich die Banking-App." Diese Zeiten sind vorbei. Was du als Verbraucher erwartest, ist eine Konsolidierung all dieser Funktionen. Revolut, Robinhood oder Wise versuchen das seit Jahren. Und auch wir bei Ledger bewegen uns in diese Richtung – mit einem Fokus auf Sicherheit und der Selbstverwahrung von Kryptowährungen.


Womit wir bei einem wichtigen Thema sind: Es ist gut nachvollziehbar, dass man im digitalen Zeitalter sein eigener Herausgeber, Fotograf oder Musikproduzent sein will. Aber glaubst du, die Leute wollen wirklich ihre eigene Bank sein? Die Entführung eures Cofounders David Balland hat dieses Jahr ja auf tragische Weise gezeigt, wie risikoreich so etwas ist...


Ian Rogers: Die Zukunft wird hier sehr heterogen sein. Du hast ja heute schon eine Mischung aus Fremd- und Selbstverwahrung in deiner physischen Brieftasche. Du hast deine Ausweisdokumente in Selbstverwahrung – ausgestellt von einer zentralen Behörde, aber du bist dafür verantwortlich. Du hast Bargeld und dein Bahnticket in Selbstverwahrung.


Gleichzeitig hast du eine EC-Karte mit einem niedrigen Limit und eine Kreditkarte mit einem hohen Limit. Das alles sind verschiedene finanzielle Werkzeuge, auf die du Zugriff hast, jedes mit einem anderen Grad an Risiko und Verantwortung. Und all diese Möglichkeiten existieren auch in der digitalen Welt, aber sie werden durch neue, bisher unmögliche Produkte erweitert.


Das ist keine Fantasiewelt mehr, das ist Realität.

Es gibt Dinge wie Multi-Signature-Wallets, bei denen mehrere Personen zustimmen müssen, bevor Transaktionen durchgeführt werden können. Es gibt Modelle der gemeinschaftlichen Verwahrung, wie sie etwa das Start-up Unchained in den USA anbietet. Du kannst digitale Vermögenswerte einfach nur halten oder sogar einen Kredit darauf aufnehmen. Ich könnte zum Beispiel meinen CryptoPunk als Sicherheit hinterlegen, wenn ich Geld für eine Renovierung bräuchte. Das ist keine Fantasiewelt mehr, das ist Realität.


Wird jeder Mensch so ein persönliches Sicherheitsgerät wie einen Ledger haben? Natürlich nicht. Schau dir an, wieviele Leute im Netz sind und wieviele davon einen Passwort-Manager benutzen? Ein winziger Prozentsatz.


Und was ist dein Szenario für die Banken?


Ian Rogers: In der Kryptowelt wird ja viel von "Banking the unbanked" geredet, also davon, wie man über digitale Währungen allen Menschen weltweit Zugriff auf das Bankensystem geben kann. Ich glaube aber, dass es erst mal um "Unbanking the banked" gehen wird. Denn meine Bank tut sehr wenig für mich. Die Renditen sind schrecklich. Ich muss aus Sicherheitsgründen 48 Stunden warten, um einem neuen Empfänger Geld zu senden. Meine Bank kann mich nicht eindeutig identifizieren, also muss sie mir eine denkbar schlechte Nutzererfahrung aufzwingen.


In Zukunft wird es darum gehen, die Funktionen der traditionellen Banken zu entbündeln und neu zu verteilen. Und die Banken werden natürlich versuchen, diesen Trend aufzuhalten, weil sie nicht enden wollen wie die Plattenläden oder Zeitungen. Aber dieser Prozess ist unvermeidlich – und der Verdrängungswettbewerb wird brutal werden.


Aber sollten wir dann nicht bei Kryptowährungen aufhören, von einem Prozess der Dezentralisierung zu sprechen? Wenn Ledger im Moment weltweit 20 % aller Krypto-Assets sichert und eine Schnittstelle für alle möglichen Finanzservices bereitstellt, seid ihr doch einfach die nächste Bank.


Ian Rogers: Ja, außer, dass die Art, wie wir es tun, fundamental dezentralisiert ist. Und das ist, finde ich, die Kernfrage. Ich würde die Analogie so ziehen: Eine zentralisierte Kryptobörse wie Coinbase ist wie früher AOL oder CompuServe. Ledger ist viel mehr wie das offene Web, denn wir schützen nur deinen privaten Schlüssel und geben dir eine sichere Schnittstelle zu dezentralen Diensten.


Wenn jeden Tag Tausende von Menschen über die Ledger-App eine Kryptotoken in einen anderen tauschen, verdient Ledger daran nichts. Die Nutzer nutzen offene, dezentrale Protokolle – und können jederzeit ihre Wiederherstellungsphrase nehmen und sie in eine andere Wallet eingeben. Bei einem dezentralen Produkt wie unserem gibt es keinen Lock-in.


Aber dann natürlich auch keinen Schutz vor Betrug und Diebstahl...


Ian Rogers: Ja, da es ums Geld geht, wird es leider auch eine Menge Betrug und weitere Finanzskandale wie den um die Börse FTX geben. Ich glaube aber, dass die Regulierung – sei es MiCA in Europa oder kürzlich der Genius Act in den USA – den Verbrauchern zumindest die Wahl gibt, sich für einen vertrauenswürdigen und gesetzeskonformen Anbieter zu entscheiden. Das bedeutet nicht, dass sie es immer tun werden, und es werden Fehler passieren. Aber am Ende des Tages gewinnen die Verbraucher, weil sie mehr Auswahl und bessere Produkte bekommen.


Du lebst als Amerikaner seit einigen Jahren in Europa. Was würdest du jetzt der europäischen Politik raten, um in diesem globalen Rennen nicht den Anschluss zu verlieren?


Ian Rogers: Konkurrieren! Das ist das Einzige, was ihr tun solltet. Europa hat die große Chance, in diesem Bereich etwas Eigenes, Differenziertes zu schaffen. Stell dir vor, ihr hättet einen digitalen Euro mit starker Privatsphäre, guter Infrastruktur und einer echten 1:1-Deckung. Dann könntet ihr wirklich wettbewerbsfähig sein. Der Versuch, das Ergebnis zu diktieren, wird allerdings scheitern. Das ist so, als hätten die Plattenlabels 2002 gesagt: "Wir werden für immer CDs verkaufen und jeden verklagen, der uns im Weg steht." Bekanntlich hat das nicht gut funktioniert. Am Ende des Tages werden die Verbraucher die Wahl haben, welche Währung sie in welcher App halten.


Die eigentliche Revolution ist hier also der demokratisierte Zugang zu Wert an sich?


Ian Rogers: Genau das ist der fundamentale Punkt, den viele übersehen. Als ich bei LVMH war, habe ich über die Demokratisierung des Zugangs zu Kultur gesprochen. Früher hatte jemand in einer Kleinstadt in Indiana keinen Zugang zur gleichen Kultur wie jemand in Paris. Durch das Internet hat er das heute. Jetzt erleben wir dasselbe mit digitalen Werten. Jemand in Südamerika hat nun den gleichen Zugang zum Dollar wie jemand in New York – wenn dieser Dollar nur noch eine Zahl in einer App ist.


Die Menschheit hat die Digitalisierung aller Informationen bereits miterlebt. Jetzt erleben wir die Digitalisierung aller Werte. Die Hürden für den Besitz von Vermögenswerten fallen dramatisch. Bald wird es für alle Menschen auf der Welt gleich einfach sein, eine Aktie von SpaceX zu besitzen und einen Dollar Tether zu halten. Und genau wie bei den Informationen wird auch bei Vermögenswerten die KI eine ganze neue Ebene bilden, die wir uns noch gar nicht richtig ausmalen können. Und was wird das in der Welt verändern? Die Antwort ist: absolut alles.


Was meinst du: Wird das Internet sein eigenes Geld haben? Und wie wird diese Zukunft aussehen? Gib uns Feedback oder schreib deine Meinung in die Kommentare!

Krischan Lehmann

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