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10. September 2025

Chinas Autobauer zeigen sich bei der IAA selbstbewusst – zu Recht


Die deutsche Autoindustrie möchte bei der IAA in München beweisen, dass sie technologisch (wieder) führend ist – gerade bei Elektroautos. Doch der selbstbewusste Auftritt vieler chinesischer Hersteller zeigt, wie hart der Wettbewerb in Zukunft wird. Sie überzeugen nicht nur mit guten Preisen, sondern auch mit innovativen Technologien und immer besserer Qualität. Dadurch werden sie auch auf ihrem Heimatmarkt zunehmend geschätzt.


Von Michael Förtsch


Wer in diesem Jahr über die Internationale Automobil-Ausstellung in München schlendert, kann es kaum noch übersehen: Die Branche befindet sich im Wandel – und die deutschen Autobauer versuchen, ihren seit Jahrzehnten als selbstverständlich wahrgenommenen Platz an der Weltspitze zu verteidigen. In den sechs Messehallen sowie den Open Spaces im Stadtzentrum wird jedoch auch etwas anderes überdeutlich: Die IAA wird von chinesischen Ausstellern dominiert. Einige von ihnen, zum Beispiel BYD, vergrößern nach und nach ihren Marktanteil im Westen. Andere sind hierzulande noch weitgehend unbekannt. Doch auch ihre Logos könnten bald zum festen Bestandteil im Straßenverkehr werden.


Denn chinesische Autobauer liefern mitunter das, woran deutsche Autobauer bisher scheitern.


Im Rahmen der IAA präsentierte BMW den iX3 als Vorzeigemodell der „Neuen Klasse“ von Elektrofahrzeugen. Es handelt sich um einen kantigen, nicht gerade zurückhaltenden SUV, der mit bis zu 805 Kilometern Reichweite beeindruckt. Mercedes-Benz antwortete mit dem „All-New Electric“ GLC-SUV, der zwar etwas runder, aber nicht unbedingt dezenter wirkt – und durchaus opulente Spezifikationen bietet. Und Volkswagen? Mit dem ID.Cross wurde ebenfalls ein SUV präsentiert, wenn auch etwas kompakter. Audi präsentierte bereits einige Tage vor der IAA sein Elektrosportwagenkonzept Concept C, dessen skulpturales Design durchaus polarisierte.


Aber was ist mit Elektrofahrzeugen im Kompakt-, Klein- und Kleinstwagenformat, die sich die breite Masse leisten kann? Hier zeigt sich bei den deutschen Herstellern lediglich Volkswagen aktiv. Der VW ID. Polo, der bereits 2023 als Studie ID.2all vorgestellt wurde, soll im kommenden Jahr auf den Markt kommen. Auch der ID. Every1 wurde ausgestellt, der in zwei Jahren vom Band rollen soll. Eventuell als spirituelle Neuinterpretation der im Jahr 2023 eingestellten Kleinstwagenreihe Up!, die auch als Elektrovariante erhältlich war. Die chinesischen Hersteller sind da schon weiter.


„Sofort bestellbar“ sind der im Polo-Format gehaltene Dolphin und dessen noch kleinere Stadtvariante Dolphin Surf vom chinesischen Autogiganten BYD. Die Preise beginnen bei 32.000 respektive 22.000 Euro. Beide Modelle können auf dem Open Space der IAA am Königsplatz betrachtet und auch in München getestet werden. Die erst 2018 gegründete Automarke Link Tour präsentierte den Alumi, einen ultrakompakten Stadtflitzer, der einer moderne Interpretation des ersten Smart gleichkommt und dessen Preis „konkurrenzfähig“ sein soll. Die zum Autokonzern GAC gehörende Marke Aion enthüllte den UT. Er ist unverkennbar an den Renault Twingo angelehnt und soll im kommenden Jahr für unter 30.000 Euro nach Europa kommen. Gleiches gilt für den B05 von Leapmotor, der in seinen Maßen stark an Golf beziehungsweise ID.3 erinnert.


Günstig, aber nicht billig


Es sind aber nicht nur die Anzahl der Modelle und die niedrigen Preise, die die chinesischen Marken zunehmend attraktiv und wettbewerbsfähig machen. Während vor einigen Jahren noch über ihre Verarbeitung, knarzendes Plastik und Spaltmaße gescherzt werden konnte, gibt es mittlerweile weniger zu lachen. Vor allem die großen chinesischen Automobilkonzerne haben bei der Qualität merklich aufgeholt. Selbst die günstigen Fahrzeuge haben kaum noch sichtbare Schrauben in den Türkanten oder Verkleidungsteile, die nicht richtig sitzen. Einen ganzen Kugelschreiber in einem Spalt zwischen Heckklappe und Karosserie verschwinden lassen? Zumindest bei den Vorzeigefahrzeugen ist das nicht mehr möglich. Im Euro-NCAP-Crashtest schneiden die meisten Chinaautos heute ebenfalls ziemlich gut ab.


In einigen Bereichen sind die chinesischen Entwickler den deutschen sogar voraus. Die Software ihrer Autos wirkt zum Teil moderner, ausgereifter und aufgeräumter. Sie ist responsiv; ruckelt und zuckt nicht. Eng getaktete und regelmäßige Updates bieten neue Funktionen. Und Spielereien, die albern, aber auch charmant wirken, wie etwa einen Karaoke-Modus, gehören zum Standard.



Bei der Batterietechnik hat China den Westen bereits überholt, was Reichweite, Ladegeschwindigkeit – etwa auch per Instantan-Batterietausch – und Lebensdauer betrifft. Laut einem aktuellen Bericht der WirtschaftsWoche droht hier sogar ein „uneinholbarer Rückstand“. Ebenso preschen chinesische Autobauer gemeinsam mit lokalen KI-Start-ups und universitären Forschungsprogrammen beim teil- und vollautonomen Fahren voran. Die Selbstfahr-Software der Unternehmen Xpeng, Baidu, Xiaomi und Momenta soll bereits Tesla voraus sein und schnell zu Pionieren wie Waymo und Co. aufschließen.

 

Auf dem Münchner Messegelände präsentieren sich zudem verschiedene weitere chinesische Technologieunternehmen, die Soft- und Hardware-Plattformen für autonome Fahrzeuge anbieten. Unternehmen wie DeepRoute.ai, Qcraft und Zhuoyu Technology versprechen insbesondere etablierten und neuen westlichen Fahrzeugbauern, die teure Entwicklung eigener Software und das Training eigener Modelle abzunehmen, damit sie schnell zur Konkurrenz aufschließen oder diese sogar übertreffen können. Denn die Innovations- und Entwicklungsgeschwindigkeit ist in China deutlich höher, der Sprung von Plattform-Update zum Echtwelttest deutlich kürzer.


All dies führt dazu, dass China für die ehemals hofierten deutschen Marken zu einem schwierigen und stark umkämpften Markt wird. Einheimische Autobauer werden immer stärker geschätzt, gelten zunehmend als zuverlässig und gut ausgestattet. Sie entwickeln Marken mit eigenen, klaren Identitäten, die als innovativ, stilsicher, sportlich, luxuriös oder trendig angesehen werden – auch bei jenen chinesischen Käufern, die sonst auf Mercedes, BMW oder Audi setzten. Fahrzeuge wie der Hongqi H9, Avatr 012 oder IM L7 sind in China heute geschätzte und begehrte Vorzeige-PKW.


Das Made in Germany rechtfertigt daher immer weniger die hohen Preise, die die deutschen Autobauer in China aufrufen. „Ein Porsche 911 funktioniert im Stau in Shanghai nicht einmal mehr als Statussymbol“, sagte kürzlich der Autoexperte Frank Sieren, der seit Jahren aus China berichtet. Dass deutsche Fahrzeuge den einheimischen chinesischen Produkten überlegen sind und bessere Ingenieurs- und Handwerkskunst liefern, wird nicht mehr unwidersprochen akzeptiert, insbesondere da die Qualität der Software eine immer größere Rolle spielt. Dafür werden nun Belege verlangt.


Gilt noch Schonzeit?


Auch beim Service greifen die chinesischen Automarken an. Wer einen Wagen kauft, muss sich nicht mehr um die Formalitäten kümmern, das übernimmt das Unternehmen. Über Kooperationen mit Versicherungsunternehmen erhalten Käufer besonders günstige Tarife, die innerhalb von Minuten per App abgeschlossen werden können. Einige Anbieter legen die Versicherung sogar kostenlos bei. Wer sich erneut für eine Automarke entscheidet, kann mit sattem Rabatt, großzügigem Stromladeguthaben oder dem Angebot von Sondermodellen rechnen, die für treue Kunden reserviert sind.


Natürlich sehen die deutschen Autobauer nicht unmittelbar ihrem Ende entgegen. Sie werden auch nicht abrupt in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Zumindest nicht in Europa und Deutschland. Der Volkswagen-Konzern konnte seinen Marktanteil hierzulande in den letzten Jahren sogar auf 40 Prozent ausbauen. Vor allem durch Marken wie Cupra und Skoda. BMW liegt seit fast zehn Jahren stabil bei knapp unter zehn Prozent. Direkt dahinter Audi. Allerdings droht auch im Westen ein harter Konkurrenzkampf mit chinesischen Playern, wie er in China bereits stattgefunden hat.


Der Anfang ist bereits sichtbar, sowohl auf der IAA als auch bei den Neuzulassungen für Fahrzeuge. Von Januar bis August wurden in Deutschland 35.000 Autos aus chinesischer Produktion angemeldet. Das sind zwar lediglich 1,9 Prozent – aber bereits doppelt so viele wie noch im Vorjahreszeitraum.


Auch wenn deutsche Autokäufer nach wie vor eher konservativ sind: Wenn die deutsche Autoindustrie bestehen will, ist ein Umdenken erforderlich. Verarbeitungsqualität und Ingenieurskunst sind richtig und wichtig. Aber es braucht auch Innovation, Experimentierfreude und Tempo, Eigenschaften, die die deutschen Autobauer einst durchaus hatten.

Michael Förtsch

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