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16. Oktober 2025

Zwischen Leistungsdruck und Shitstorms: Der Top-Manager Paul Achleitner über zukunftsfeste Unternehmensführung

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Ein Unternehmen zwischen Trump und KI, Klimawandel und Kriegen erfolgreich in die Zukunft zu führen, ist eine Mammutaufgabe. Zumal es nicht mehr reicht, Gewinne abzuliefern. Denn neben Leistung zählt auch Legitimität, schreibt der erfahrene Top-Manager Paul Achleitner in seinem neuen Buch. Er erklärt, wie dieser Spagat gelingen kann, ohne sich vom omnipräsenten Pessimismus herunterziehen zu lassen.


Von Wolfgang Kerler


Zugegeben, ein Buch über Management haben wir hier noch nie besprochen. Doch die Grundhaltung von Paul Achleitners Erfahrung beschleunigen: Erfolgsprinzipien in einer fluiden Welt passt zu gut zu 1E9, um es nicht zu tun: zukunftsgewandt und optimistisch, aber trotzdem schonungslos realistisch.


In über sechzig kurzen Kapiteln stellt der erfahrene Top-Manager und Aufsichtsratsvorsitzende Prinzipien vor, die Führungskräften im Chaos des „new normal“ Orientierung bieten sollen. Die meisten davon sind auch für Nicht-Manager wertvolle Anregungen. Insbesondere Politikern würde die Lektüre bestimmt nicht schaden. In jedem Fall lesenswert sind Achleitners grundsätzliche Gedanken zur aktuellen Welt- und Wirtschaftslage – schon deshalb, weil er sich weigert ins allgegenwärtige Gejammer einzustimmen.

 

„Mit geradezu masochistischer Lust ergeht man sich in pessimistischen Überbietungen.“

 

Deutschlands Industrie am Abgrund. Frankreich unregierbar. Großbritannien pleite. Die EU ein Bürokratiemonster. An alldem sei zwar etwas dran. Doch sollte es aus Achleitners Sicht weniger darum gehen, Probleme immer nur zu beklagen, als darum, die Probleme zu lösen. Gerade in Unternehmen. Denn: „In Politik und Medien mag das Gejammer gut ankommen, aber in der Wirtschaft hat es noch nie funktioniert.“ Der Autor selbst hält es da lieber mit Karl Poppers Maxime „Optimismus ist eine moralische Pflicht“.


Paul M. Achleitner, einst Partner bei Goldman Sachs, Finanzvorstand der Allianz und Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Bank, zählt zu Deutschlands profiliertesten Wirtschaftspersönlichkeiten. Der promovierte Ökonom aus Linz ist heute als Investor, Gründer und Autor tätig.
Paul M. Achleitner, einst Partner bei Goldman Sachs, Finanzvorstand der Allianz und Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Bank, zählt zu Deutschlands profiliertesten Wirtschaftspersönlichkeiten. Der promovierte Ökonom aus Linz ist heute als Investor, Gründer und Autor tätig.

Die Kritik am Dauerpessimismus bedeutet allerdings nicht, dass Achleitner die Lage schönredet. Im Gegenteil. Viele seiner Erfolgsprinzipien, deren Erläuterung stets mit Fragen enden, die sich die Leser stellen können, münden zwangsläufig darin, dass sich Unternehmen ständig und rigoros einem Realitätscheck unterziehen müssen.


Hier drei Kostproben, die nicht zufällig gewählt sind. Jede davon steht stellvertretend für eine Dimension, auf die es aus Achleitners Sicht für erfolgreiche Manager ankommt: Legitimität, Leistung und Führung.

 

„Die Unzulänglichkeit unternehmensspezifischer Leitbilder“


Die Zahl der Arbeitsstunden und PowerPoint-Folien, die Unternehmen investiert haben, um ihren wahren „Purpose“ zu finden, dürfte kaum noch zu beziffern sein. Ohne „raison d'être“, wie Achleitner schreibt, kommt keine große Organisation mehr aus. Talente wollen schließlich nicht nur Geld, sondern auch Sinn. Ein Leitbild, in dem Unternehmen ihren Beitrag für eine bessere Welt definieren, kann Motivation stiften.


Doch Achleitner muss nüchtern feststellen: Viele dieser Leitbilder sind nur Placebos. Sie mögen in internen Runden begeistern, doch die Außenwelt kauft sie einem Unternehmen deswegen noch lange nicht ab. Er warnt sogar, dass überzogene Leitbilder zur Gefahr werden. Denn für eine Organisation, die sich als nachhaltig, inklusiv und kundenorientiert präsentiert, kann schon ein kleiner Fehler zum Sündenfall werden. Zur Legitimität trägt der „Purpose“ nur bei, wenn ein Unternehmen den eigenen Ansprüchen tatsächlich gerecht wird – nicht nur in der Eigen-, auch in der Fremdwahrnehmung.

 

„Die Illusion zufriedenstellender Minderleistung“


Wenn die eigene Leistung ständig hinter den eigenen Möglichkeiten zurückbleibt, aber trotzdem besser als die Kennzahlen des Vorjahres oder der Konkurrenz ausfällt, ist doch alles in Ordnung, oder? Nein, schreibt Achleitner. Sich als Unternehmen für „zufriedenstellende Minderleistung“ auf die Schulter zu klopfen, obwohl das eigene Potential nicht ausgeschöpft wird, könne nicht lange gut gehen. Die Analysten der internationalen Kapitalmärkte durchschauten dieses Spiel.


Deshalb sollten sich Unternehmen klare und messbare Ziele setzen, deren Erreichung laufend überprüft wird. Die Ziele sollten allerdings sorgfältig gewählt werden, um wirklich einen Beitrag zur besseren Performance zu leisten, mahnt der Autor. Ansonsten jagt die ganze Organisation den falschen Kennzahlen hinterher, was die Mitarbeiter in den Burnout treibt und das Unternehmen scheitern lässt.

 

„Die Droge charismatischer Führung“


Die Leute lieben starke Führungspersönlichkeiten. Und auch Paul Achleitner würdigt den Beitrag, den Menschen wie Mahatma Gandhi, Harry Oppenheimer, Steve Jobs oder Taylor Swift zu Politik, Kultur und Wissenschaft geleistet haben.


Doch obwohl sich auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Unternehmen charismatische Führungskräfte wünschen, warnt er vor deren unkontrollierter Dominanz. Schließlich kann selbst die beste Managerin oder der beste Manager dem Rausch des eigenen Charismas verfallen. Genau dafür brauche es Governance, zum Beispiel in Form eines starken Aufsichtsrats.

 

Inmitten der chaotischen Welt ein Spagat zwischen Leistung und Legitimität


Natürlich war es nie leicht ein Unternehmen, geschweige denn einen multinationalen Konzern zu führen. Doch früher, so Achleitner, konnte man sich zumindest auf einen politischen Grundkonsens verlassen: technologischer Fortschritt, Unternehmertum und Handel galten als gut für die Menschheit. Große Kriege gab es nicht. Und wirtschaftliche Ungleichheit als Nebenwirkung der Globalisierung wurde als Herausforderung der Politik angesehen.


Unternehmen konnten sich also auf ihr Kerngeschäft konzentrieren – das heißt, Kundenwünsche erfüllen und Investoren glücklich machen. Doch diese gemütlichen Zeiten sind vorbei, stellt Achleitner fest. Klimawandel, Kriege, KI, gesellschaftliche Polarisierung und erratische Politik, die ungezügelt in den Markt eingreift, erforderten ständige Anpassungen – und trotzdem werde von Unternehmen längst mehr erwartet als Leistung.


Selbstverständlich müssen Umsatz, Gewinn und Aktienkurs steigen. Doch auch für Umwelt- und Klimaschutz, Transparenz und soziale Verantwortung gibt es Kennzahlen, die erfüllt werden müssen. Und sollte das alles erledigt sein, kommt vielleicht der nächste Shitstorm um die Ecke.


Das liest sich jetzt vielleicht, als würde einem nach der Lektüre von Paul Achleitners Erfahrung beschleunigen: Erfolgsprinzipien in einer fluiden Welt ein gemütliches Angestelltendasein plötzlich ungemein attraktiv vorkommen. Doch der durchweg positive Grundton und der lösungsorientierte Pragmatismus des Buchs bestärkt Manager darin, ihren Gestaltungsspielraum auch in so turbulenten Zeiten zu nutzen. Und Nicht-Manager blicken danach vielleicht respektvoller auf die gerade in Deutschland oft so pauschal gescholtene Wirtschaftselite, die wahrlich keinen einfachen Job hat.

 

Wolfgang Kerler

Wolfgang Kerler

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