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25. November 2025

Warum viele die Microsoft-Pläne für noch mehr Künstliche Intelligenz in Windows 11 kritisieren

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Microsoft hat angekündigt, sein Betriebssystem Windows 11 mit Künstlicher Intelligenz zu einem „agentischen Betriebssystem“ weiterzuentwickeln. Diese Ankündigung löst bei vielen Nutzern keine Begeisterung aus. Denn sie sind gegenüber den Microsoft-KI-Werkzeugen skeptisch und zweifeln an den Prioritäten des Unternehmens. Schließlich funktioniert das neueste Betriebssystem von Microsoft oft nicht besonders gut und zuverlässig.

 

Eine Analyse von Michael Förtsch

 

Bei Microsoft müsste eigentlich fröhliche Partystimmung angesagt sein. Schließlich feiert Windows in diesem Jahr sein 40-jähriges Jubiläum. Unabhängig davon, wie man zu Windows im Allgemeinen steht, muss man anerkennen, dass das Betriebssystem die Welt der Personal Computer, das World Wide Web sowie Kunst und Kultur nachhaltig geprägt hat. Originalverpackungen von Windows 3.11 gelten heute aufgrund ihres minimalistischen Designs als Sammlerobjekte. Der Start-up-Klang von Windows 95 und das Bliss-Hintergrundbild sind Ikonen. Windows ist außerdem das Betriebssystem, mit dem viele aufgewachsen sind.

 

Im Laufe der Zeit hat sich Windows natürlich immer wieder verändert. Nicht selten zum Besseren, wie selbst die schärfsten Kritiker einräumen müssen. Momentan biegt die Betriebssystemreihe mit Windows 11 jedoch in eine Richtung ab, die bei vielen nicht nur für Frust, sondern auch für Beunruhigung sorgt.

 

Bereits mit den Nutzungsvoraussetzungen für Windows 11 hatte Microsoft heftige Kritik ausgelöst – insbesondere mit dem Zwang zu einem Microsoft-Onlinekonto, den unnötig hoch angesetzten Hardware-Voraussetzungen und einem installierter TPM-2.0-Kryptographieprozessor. Genervt fühlten sich dann viele Nutzer durch das Verstecken, Verschachteln und Entfernen bekannter Funktionen sowie durch selbst bei gekauften Windows-11-Exemplaren vorinstallierte Programme wie Spotify, Candy Crush oder durch das berüchtigte OneDrive sowie durch als Vorschläge getarnte Werbung im Startmenü und dem Sperrbildschirm.

 

Seit dem Erscheinen der ersten Fassungen im Oktober 2021 beklagten sich Nutzer zudem, dass Windows 11 schlechter funktioniere als sein Vorgänger. Es sei instabiler, langsamer und notorisch umständlicher zu nutzen. Selbst Kernelemente wie der Explorer oder das Startmenü brauchen mitunter mehrere Sekunden, bis sie geladen sind: Probleme, die Microsoft erst im November 2025 eingestand und für die nun an Workarounds statt echten Lösungen gearbeitet wird. Das fundamentale Grundgerüst und die essentiellen Bestandteile von Windows werden vernachlässigt, so die Diagnose vieler Nutzer. Denn die Prioritäten scheint Microsoft woanders zu sehen.

 

Wie der für die Windows-Entwicklung zuständige Pavan Davuluri auf X – ehemals Twitter – schrieb, sei es das Ziel, „Windows in ein agentisches Betriebssystem“ zu entwickeln. Es solle „Geräte, Cloud und KI verbinden, um intelligente Produktivität und sicheres Arbeiten überall zu ermöglichen“. Der Push in diese Richtung hat bereits begonnen. Auf einigen als Copilot+ zertifizierten Windows-11-Rechnern tauchten in diesen Tagen plötzlich im Explorer Copilot-Schaltflächen neben Dateien auf, die die Microsoft-KI zu einer Datei befragen lassen. Dieses Feature ergänzte auf den Systemen eine bereits bestehende Copilot-Integration, die im mit einem Rechtsklick zu öffnenden Kontext-Menü enthalten ist. Bei den beiden Copilots handelt es sich trotz identischer Symbole und Namen um zwei unterschiedliche KI-Helfer. Der eine gehört zum Office-Paket Microsoft 365 – und ist auf Word-, Excel- und Power-Point-Inhalte spezialisiert. Der andere ist der „klassische“ Copilot, der bei allem helfen soll.

 

Weitere Integrationen sollen folgen. Wenn es nach Microsoft geht, sollen bald verschiedenste KI-Agenten in der Taskleiste von Windows wohnen und den Nutzern „KI-Superkräfte” verleihen, um ihre Arbeit schneller zu erledigen, ihre Freizeit effizienter zu gestalten und mehr. Viele dieser Agenten sollen dabei aber eigentlich nur das leisten können, was andere Dienste bereits jetzt für Nutzer tun: Recherchen im Web durchführen, Präsentationen erstellen, Texte schreiben und formatieren und so weiter. Dafür könnten sie jedoch auch auf die Dateien der Nutzer sowie auf die von ihnen genutzten Plattformen im Netz und verschiedenste Programme auf dem Rechner zugreifen. Jeder Agent soll dafür einen eigenen Windows-Account auf dem Rechner haben. Idealerweise sollen die Agenten nicht einmal geklickt werden müssen. Stattdessen stellt sich Microsoft vor, dass Menschen mit ihren Rechnern reden und ihnen Anweisungen geben, was sie tun sollen – ähnlich wie in Star Trek.

 

Zuviel Künstliche Intelligenz

 

Die KI-Visionen von Microsoft für Windows lösen bei vielen Nutzern keine Begeisterung aus. Im Gegenteil: Sie sorgen für Irritation und Sorge. Das gilt nicht nur für diejenigen, die Künstlicher Intelligenz generell skeptisch gegenüberstehen, sondern auch für ihre Verfechter. Denn viele, die das Potenzial von KI erkennen, sehen auch die Gefahren, die diese Technologie mit sich bringt. Insbesondere, wenn das System, auf dem sie eingesetzt wird, nicht sonderlich zuverlässig und sicher erscheint. Bereits im vergangenen Jahr sorgte Microsoft bei IT-Sicherheitsforschern und Nutzern mit seinem Windows-Recall-Werkzeug für Entsetzen. Diese Funktion sollte alle paar Sekunden einen Screenshot des Bildschirms anfertigen, den eine KI verarbeiten kann. Dadurch sollten Nutzer die Möglichkeit bekommen, bei Recall einfach nachzufragen, auf welcher Website sie beispielsweise zuletzt diese tollen Schuhe gesehen haben oder wo sie diese und jene Datei abgelegt haben, deren Namen sie aber nicht mehr wissen.

 

In den ersten Fassungen waren die Screenshots nicht verschlüsselt – zumindest nicht wirklich.  Außerdem machte Recall auch Screenshots von äußerst sensiblen Inhalten wie eingegebenen Kreditkartendaten, Nutzernamen, Passwörtern, privaten Chats oder auch nicht jugendfreien Inhalten, die konsumiert werden. Letzteres stellten einige Reddit-Nutzer erstaunt fest. Nach harter Kritik an der sogenannten Preview-Fassung verschob Microsoft Recall, besserte nach, und stellte den Dienst so um, dass Nutzer ihn aktiv aktivieren müssen. Datenschützer und IT-Sicherheitsexperten sehen im mittlerweile für mit CoPilot+ zertifizierte PCs und Laptops verfügbaren Recall dennoch eine Sicherheitskatastrophe auf Abruf. Schließlich ist unklar, ob und wie Microsoft Recall in Zukunft weiterentwickeln will, ob es ein Opt-in-Feature bleibt und welche langfristigen Pläne es dafür gibt. Wie Zac Bowden von Windows Central anmerkte, versprach Microsoft zwar im Jahr 2024, die Recall-Daten nicht für das Training von KI oder für Werbung zu verwenden. Allerdings habe Microsoft immer wieder demonstriert, dass „was heute wahr ist, nicht auch in Zukunft wahr sein muss“.

 

Viele sahen in Recall die Blaupause von Microsoft für den Umgang mit KI-Funktionalitäten in Windows. Es werden Konzepte entwickelt, die offenbar halbfertig ins Betriebssystem eingebaut und dann sorglos auf die Nutzer losgelassen werden, die dann damit leben müssen. Falls nicht ein riesiger Aufschrei das Unternehmen zwingt, zurückzurudern. Tatsächlich sind auch die Erfahrungen mit den Copilot-Diensten in Windows nicht gerade positiv. Antonio Di Benedetto von The Verge schrieb in einem Selbstversuch darüber: Der Copilot sei langsam und es sei nervtötend, ihn zu benutzen. „Immer wieder hat Copilot etwas falsch verstanden, etwas erfunden und mit mir gesprochen, als wäre ich ein Kind“, so Di Benedetto. Selbst die Fragen und Funktionen, die Microsoft in seinen Werbeanzeigen für Copilot zeigt, hätten selten ein sinnvolles Ergebnis gebracht. Ein echter Schaden – außer für das Nervenkostüm – sei dabei aber nicht entstanden.

 

Bei der Nutzung eines vollwertigen KI-Agenten in Windows 11 könnte es jedoch anders aussehen. Wie bereits mehrfach demonstriert wurde, lassen sich KI-Agenten nämlich teilweise mit simpelsten Methoden kapern und missbrauchen, beispielsweise um Nutzerdaten auszuleiten, Online-Konten zu übernehmen oder sogar Schaden in einem Computersystem anzurichten. Dies gilt insbesondere, wenn sie, wie die geplanten Windows-Agenten, über Lese- und Schreibrechte verfügen. In einem Artikel warnt Microsoft zwar vor den Risiken der „experimentellen agentischen Merkmale“, will diese aber trotzdem für Millionen Nutzer pauschal als fest integrierte Funktion des Betriebssystems verfügbar machen. Damit bringen Nutzer ihren Rechner und ihre persönlichen Daten in Gefahr. Denn nicht nur sind KI-Systeme leicht zu missbrauchen. Sie machen auch immer wieder dumme und dabei zuweilen schwerwiegende Fehler. „Hoffentlich bleiben diese Funktionen standardmäßig deaktiviert“, schreibt Andrew Cunningham von Ars Technica daher.

 

 

Wieso eigentlich?

 

Doch warum verfährt Microsoft so? Im Podcast von Dwarkesh Patel sagte Microsoft-Chef Satya Nadella erst kürzlich, dass sich das Unternehmen in einem tiefgreifenden Wandel befindet. „Unser Geschäft, das heute im Wesentlichen ein Geschäft mit Endbenutzerwerkzeugen ist, wird ein Infrastrukturgeschäft zur Unterstützung von Agenten bei der Arbeit werden“, so Patel. Wenn das funktionieren soll und sich die Milliardeninvestitionen in Rechenzentren und KI-Forschung auszahlen sollen, muss Microsoft jedoch sicherstellen, dass die KI-Helfer auch benutzt werden und daher nahezu allgegenwärtig sind. Denn nur so kann das Unternehmen sie vermarkten und monetarisieren.

 

Das Ziel von Microsoft scheint aus Sicht seiner Kritiker nicht darin zu bestehen, mit Windows 11 ein möglichst gut funktionierendes Betriebssystem aufzubauen und es mithilfe von KI-Werkzeugen und -Agenten zu einem Produktivitätsmotor zu machen. Vielmehr scheint das Unternehmen Windows möglichst schnell und tiefgreifend mit allerlei Microsoft-KI-Diensten ausstatten zu wollen, sodass die Nutzer gar nicht darum herumkommen. Selbst wenn die Qualität des Betriebssystems und die Nutzungserfahrung der Kunden darunter leidet. Die Erfahrung mit Microsofts Produktpolitik spricht dafür, dass das Unternehmen aus Redmond nichts unversucht lassen wird, um den Nutzern seine KI-Werkzeuge aufzudrängen, während es Optionen zum Deaktivieren in irgendwelchen Einstellungsseiten verstecken dürfte.

 

Ähnlich wie Microsoft seinen Edge-Browser einst mit jeder Ecke und Kante in Windows 10 verknüpfte und das Deinstallieren unmöglich machen wollte, sodass er jedes Mal aufploppte, wenn im Startmenü versehentlich die Bing-Suche geöffnet oder eine Funktion angeklickt wurde, die sich als längst gelöschte Microsoft-Support-Seite im Internet entpuppte. Oder wie Microsoft seine Konferenzsoftware Teams als festen Bestandteil von Windows 11 auslieferte, um dem aufstrebenden Konkurrenten Zoom möglichst viele Nutzer abspenstig zu machen. Ob diese Politik bei KI-Werkzeugen auch fruchtet, bleibt abzuwarten. Der Widerstand wächst jedenfalls.

 

Nutzer sollten die Wahl haben

 

Als Pavan Davuluri auf X die Evolution von Windows 11 zum agentischen Betriebssystem erklärte, kam die Gegenrede prompt und heftig.

 

Stop this non-sense. No one wants this.

 

Nobody wants this shit except the parties you're selling our data to without permission.

 

No one wants this. I just want my computer to be a computer.

 

I just want the file explorer to be fast and responsive.

 

Das waren nur einige der fast 500 durchweg negativen Kommentare, die veröffentlicht wurden, bevor Davuluri die Kommentarfunktion für den Beitrag deaktivierte – mutmaßlich, weil er genervt und peinlich berührt war, wie manche mutmaßten. Erst einige Tage später griff er die Diskussion wieder auf, allerdings in einem Kommentar unter einem Beitrag des Entwicklers Gergely Orosz, der ebenfalls den Status von Windows 11 kritisierte. Wie Davuluri anmerkte, nehme man das Feedback wahr, auch wenn man nicht unbedingt die gleiche Meinung vertrete. „Wir wissen, dass Worte nicht ausreichen, sondern dass es an uns liegt, die Software weiter zu verbessern und auszuliefern“, so Davuluri.

 

Zum Thema Künstliche Intelligenz in Windows verliert der Windows-Verantwortliche jedoch kein Wort. Das liegt womöglich daran, dass die Priorität hier klar und keine Änderung zu erwarten ist. Denn laut Microsoft-Chef Satya Nadella steht und fällt der Konzern mit dem Erfolg seiner KI-Strategie. Diese Entwicklung wollen aber zunehmend mehr Nutzer nicht mittragen. Neben der Ablehnung der KI-Integration geben viele unter den Beiträgen von Davuluri an, auf ein anderes Betriebssystem umzusteigen oder umsteigen zu wollen. Einfach weil sie keine Freunde mehr an der Nutzung von Windows haben und dem Betriebssystem und Microsoft nicht mehr trauen.

 

Manche dieser Beiträge sind sicher nur Pose. Doch schon seit Monaten – insbesondere seit dem Support-Ende von Windows 10 – steigt die Zahl der Umsteiger. Die Verkäufe von Mac-Computern stiegen zuletzt um fast 15 Prozent. Ebenso wie die Downloads von Linux-Betriebsystemvarianten. Das sehr an Windows angelehnte Zorin OS wurde in einem Monat mehr als eine Million Mal heruntergeladen. Ob und wie viele Nutzer nach dem Ausprobieren bei Apple oder Linux bleiben, lässt sich schwer sagen. Die Zahlen dürften Microsoft dennoch zu denken geben. Vielleicht nicht in Bezug darauf, ob Künstliche Intelligenz die derzeitige Priorität behält, aber möglicherweise in Bezug darauf, wie sehr Microsoft seinen Nutzern diese KI-Tools aufdrängt, wie einfach sich diese abschalten oder sogar entfernen lassen und wie stark die Arbeit am Betriebssystem dauerhaft vernachlässigt werden kann.

                                                                                                        

Michael Förtsch

Michael Förtsch

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