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13. August 2025

Von Dürer bis van Gogh: Die KI von Art Recognition soll gefälschte Bilder erkennen

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Mithilfe moderner KI-Werkzeuge lassen sich heute Bilder im Stil bekannter Künstler erzeugen. Das sorgt seit einigen Jahren für Kritik und Unruhe. Doch Künstliche Intelligenz kann auch eingesetzt werden, um für mehr Transparenz auf dem Kunstmarkt zu sorgen: Denn KI kann helfen, Fälschungen zu entlarven. Die Schweizer Firma Art Recognition gilt als einer der Vorreiter auf diesem Gebiet.

 

Von Michael Förtsch

 

Egal, ob Heinrich Campendonk, Max Ernst, Max Pechstein, Fernand Léger oder André Derain – der Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi hatte sie alle drauf. Über Jahre hinweg schleuste der deutsche Maler gemeinsam mit seiner Frau Dutzende vermeintlicher Meisterwerke in den Kunstmarkt, wo sie zuweilen für Millionenbeträge versteigert wurden und in privaten Sammlungen sowie angesehenen Museen landeten. Sie täuschten Experten und Kenner aus Deutschland, Frankreich, Japan und dem Rest der Welt. Bis heute sind lediglich 60 Fälschungen des 2011 verurteilten und zwischenzeitlich auf Bewährung entlassenen Kunstfälschers entlarvt und dokumentiert. Laut Beltracchi selbst seien aber etwa 300 seiner Malereien mit den Signaturen großer Künstler in Umlauf gebracht worden. Nicht wenige davon sind wohl bis heute unerkannt in Museen und Galerien ausgestellt, wo sie von Besuchern bewundert werden.

 

Wie Carina Popovici sagt, war es nicht nur, aber auch der bis heute in der Kunstwelt nachhallende Skandal um die Fälschungen von Beltracchi, der 2019 zur Gründung von Art Recognition führte. Denn während der 2010er Jahre lernte die promovierte Teilchenphysikerin die Mathematikerin Christiane Hoppe und eine benachbarte Kunsthistorikerin kennen. Sie alle verband eine Leidenschaft für Kunst und das Thema Kunstfälschung – sowie der Frust darüber, dass es „keine objektive Methode gab, um gefälschte Kunstwerke zuverlässig zu identifizieren“. Popovici und Hoppe kamen in Gesprächen zur Überzeugung, dass die Lösung in Künstlicher Intelligenz liegen könnte. Allerdings nicht in jener generativen KI, die seit dem Start von ChatGPT im Jahr 2022 einen Hype erlebt. Sondern eher in deren Gegenteil.

 

„Art Recognition setzt gezielt auf diskriminative KI-Modelle“, sagt Popovici im Gespräch mit 1E9. Dabei handelt es sich um KI-Modelle, die nicht darauf trainiert wurden, neue Inhalte basierend auf gelernten Inhalten zu erzeugen – etwa im Gegensatz zu GPT-4o oder Stable Diffusion. Sie sind vielmehr darauf trainiert, vorgelegte Inhalte möglichst genau basierend auf erlernten Daten zu analysieren, darin Muster auszumachen und diese zu identifizieren. Solche Modelle werden beispielsweise bei der Videoüberwachung eingesetzt, um Menschen anhand ihrer Gesichter zu erkennen, in der Medizin, um Röntgenaufnahmen nach Brüchen zu untersuchen, oder bei autonomen Fahrzeugen, um andere Verkehrsteilnehmer wie Autos, Fußgänger und Radfahrer zu identifizieren. Damit solche KI-Modelle funktionieren, sind ausreichend viele und vor allem zuverlässige Trainingsdaten erforderlich, aus denen sie lernen können.

 

Auf das Trainingsmaterial kommt es an

 

Für seine Arbeit setzt das Schweizer Unternehmen konkret auf zwei KI-Systeme. Zum einen sind dies Convolutional Neural Networks, zum anderen Vision Transformers, die in Kombination besonders detailliert und zuverlässig komplexe Muster in großen Bildinhalten erkennen können. Mithilfe dieser Systeme hat Art Recognition bereits über 500 Werke analysiert. „Für Sammler, Galerien, Auktionshäuser, Kunsthändler und Institutionen“, wie Popovici sagt. Darunter waren auch einige prominente Fälle. So hat Art Recognition das einst Peter Paul Rubens zugeschriebene Gemälde Samson und Delilah der National Gallery in London mit einer Wahrscheinlichkeit von 91 Prozent als „unecht“ bewertet. Es stammt also nicht von Rubens. Ein mit 97 Prozent noch eindeutigeres Ergebnis gab es beim sogenannten Elimar van Gogh. Dabei handelt es sich um das Gemälde eines Fischers, das auf einem Trödelmarkt in Minnesota, USA entdeckt, für 50 US-Dollar gekauft wurde – und angeblich von Vincent van Gogh stammen soll. Laut KI ist dem aber nicht so.


 

Die Basis für diese Bewertungen ist vor allem das Wissen der KI-Systeme über die echten Werke der betreffenden Künstler. Oder eher: wiederkehrende und wiedererkennbare Muster und dedizierte Eigenheiten von statistischer Signifikanz. Dabei kann es sich um die Pinselführung, eine typische Farbpalette, die charakteristische Ausarbeitung spezifischer Motive – wie etwa von Augen, Bäumen oder Stoffen – oder allgemeine Kompositionselemente handeln. Laut Popovici erkennen die KI-Systeme aber auch „abstraktere Merkmale, die für das menschliche Auge schwer erfassbar sind“. Mithilfe von sogenannten Heatmaps kann illustriert werden, worauf sich die KI-Modelle konzentrierten und wo sie besonders prägnante Elemente ausmachten, die die Identität des Schöpfers be- oder widerlegen.

 

Um das zu ermöglichen, werden die Modelle mit möglichst vielen hochaufgelösten Fotografien von Malereien trainiert, die mit Sicherheit dem mutmaßlichen Schöpfer des zu analysierenden Werks zugeordnet werden können. Je mehr Fotografien zur Verfügung stehen und je detailreicher sie sind, desto besser. Dabei muss sich Art Recognition selbstverständlich auf bestehende Herkunftsnachweise und Expertenmeinungen stützen. „Die Auswahl erfolgt auf Basis der gängigsten Catalogue raisonné“, sagt Popovici. Falls ein für das Training vorgesehenes Werk umstritten ist, wird es entweder ausgeschlossen oder einer Abstimmung unterzogen. Denn ein falsch zugeordnetes Basiswerk im Trainingsmaterial kann die Fähigkeit der KI-Modelle, genaue Bestimmungen durchzuführen, abschwächen.

 

Jedoch werden die Modelle nicht nur mit echten Werken trainiert. Es kommen auch „negative Beispiele“ hinzu. „Dazu zählen Fälschungen, Werke aus dem Umkreis des Künstlers oder KI-generierte Imitationen“, erläutert Popovici. Mithilfe dieser Beispiele sollen die KI-Systeme auch jene Muster erlernen, die einem bekannten Meister oberflächlich stark ähneln, aber eben doch nicht von ihm stammen. Insbesondere die Werke von Lehrlingen bekannter Maler können den Originalen sehr nahekommen, da sie die gleichen Techniken, Farben und Kompositionen verwenden. Die Imitationen und Fälschungen dienen somit als eine Art Kontrastverstärker. Sie lassen die Unterschiede zwischen Original und Nachahmung für die KI-Kunstexperten noch stärker hervortreten und ermöglichen eine genauere Eingrenzung der individuellen Eigenheiten der Meister, wodurch die Zuverlässigkeit einer eindeutigen Identifikation steigt.

 

Im Fall von Vincent van Gogh wurden 834 authentische und über 1.700 unechte Werke genutzt. Bei einem solchen Datenumfang kann das Training der Modelle einige Tage in Anspruch nehmen.

 

Ein Werkzeug, kein Ersatz für Kunstexperten

 

Bis vor wenigen Jahren war die Skepsis gegenüber Art Recognition und vergleichbaren Unternehmen wie etwa Hephaestus Analytical aus London noch groß. Insbesondere klassische Experten zweifelten an der Technologie und ihren Fähigkeiten – auch aus Prinzip und Angst um ihren Status.  Inzwischen lassen Sammler und auch etablierte Auktionshäuser wie Germann Auction House oder Auktionshaus Koller ihre Werke bei Art Recognition prüfen und zertifizieren. „Besonders bei umstrittenen Werken bringt unsere Analyse oft mehr Klarheit in langjährige Diskussionen“, so Popovici. Picasso, Renoir, Monet, Chagall, Cézanne, Raphael, Dürer, Goya, Velázquez, Rubens und Van Dyck sind daher bereits unter die KI-Lupe der Schweizer Firma gekommen. Modelle für über 300 Künstler und Künstlerinnen stehen dadurch heute als digitale Experten auf Abruf zur Verfügung.

 

„Unser Ziel ist es nicht, Experten zu ersetzen, sondern sie zu unterstützen“, betont Popovici. Die KI-Prüfung soll demnach nur ein Baustein des Authentifizierungsprozesses sein, ähnlich wie es bereits bei Röntgenaufnahmen, chemischen Analysen von Pigmenten oder Kohlenstoffdatierungen der Fall ist. Menschliche Experten, die Fachwissen, Erfahrung und emotionale Intelligenz mitbringen, werden daher auch in Zukunft nötig sein. Vor allem in Fällen, in denen sich die KI-Systeme nicht ganz sicher sind. Ein Kunstwerk, das mit weniger als 80-prozentiger Sicherheit einem Künstler zugeschrieben oder eben nicht zugeordnet werden kann, sollte unbedingt noch von Menschen begutachtet und im Idealfall noch wissenschaftlich untersucht werden, empfehlen die Schweizer.

 

Außerdem kann KI-Technologie nicht in allen Fällen eingesetzt werden. Jedenfalls nicht, ohne ein hohes Risiko von Fehlzuschreibungen einzugehen, wie die Gründerin von Art Recognition einräumt. Ein Beispiel hierfür ist der 2017 für eine Rekordsumme von 450 Millionen US-Dollar versteigerte Salvator Mundi, den einige Kunstexperten Leonardo da Vinci zuschreiben. Andere haben jedoch starke Zweifel an dem Befund. „Im Fall des Salvator Mundi ist eine Analyse mit unserer Technologie nicht möglich“, sagt Popovici. Denn es existieren lediglich hochauflösende Aufnahmen des Gemäldes, nachdem es „gesäubert“ und von Dianne Dwyer Modestini „umfangreich restauriert“ wurde. Für ein KI-System sei dadurch zu wenig vom Original übrig, um eine belastbare Prüfung durchzuführen.

 

 Galeriebilder: Art Recognition AG

 

Michael Förtsch

Michael Förtsch

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