9. Oktober 2025
Kreativ, verrückt – und bedenklich: Mit seiner Social-Media-Plattform Sora entfacht OpenAI einen Hype um KI-Videos

Mit Sora hat OpenAI eine eigene Social-Media-Plattform gestartet, die das neue Videomodell Sora 2 nutzt. Nutzer können damit absurde und zum Teil erschreckend echt aussehende Videos erstellen – und bringen dabei Rechenzentren an ihre Grenzen. Diese Erfahrung ist menschlicher und sozialer als gedacht. Doch ist die Begeisterung für KI-Videos mehr als nur ein Strohfeuer?
Von Michael Förtsch
Da ist ein Video, in dem Michael Jackson einem Jungen bei McDonalds seine Fast-Food-Tüte klaut. Darauf folgt eines, in dem Sam Altman in einem T-Rex-Kostüm über den Boden krabbelt und „Roar, Roar!“ ruft. Dann ein Video, das eine mehr oder weniger bekannte Influencerin zeigt, die vor einer Alien-Invasion davonrennt, während im Hintergrund ein riesiges Raumschiff am Himmel schwebt und das Empire State Building in Flammen aufgeht. Und eines, in dem jemand den Bildschirm eines alten PCs abfilmt, auf dem Netflix läuft – im Jahr 1991. Es ist eine reichlich wilde Mischung an Videos – und kein einziges davon ist echt. Allesamt wurden sie mit Künstlicher Intelligenz generiert. Denn das ist es, worum es in Sora geht – der Social-Plattform beziehungsweise App, die OpenAI mit seinem neuen Videomodell Sora 2 am Dienstag letzter Woche vorgestellt hat.
Sora ist derzeit noch recht exklusiv. Wer mitmachen möchte, benötigt einen Einladungscode. Außerdem ist die Plattform derzeit nur für Einwohner der USA und Kanada zugänglich. Wer dabei ist, kann kurze Videoclips von zehn Sekunden Länge erstellen. Das funktioniert ganz einfach mit einem Prompt. Dabei lassen sich auch sogenannte Cameos einbeziehen, also andere Nutzer, die ihr Gesicht über ihren Nutzernamen für den KI-Videogenerator freigegeben haben. Mit einem @sama lässt sich beispielsweise Sam Altman für die eigenen Videos „missbrauchen“. Das ging zunächst nahezu ohne Einschränkungen.
Mittlerweile bietet OpenAI mehr Kontrolle und ermöglicht es, die Nutzung des KI-Ichs in Kombination mit bestimmten Themen und Prompt-Wörtern zu verhindern. Ebenso ist es möglich, dafür zu sorgen, dass das KI-Ich bestimmte Erkennungsmerkmale wie eine Kappe oder ein bestimmtes T-Shirt trägt. Gleiches gilt für urheberrechtlich geschützte Charaktere. In den ersten Tagen herrschte hier das Wilde-Westen-Prinzip. Ob Mickey Mouse, Pikachu, Spongebob, Batman, das Xenomorph oder Personen des öffentlichen Lebens – alle ließen sich in die eigenen Videos zaubern. Wer seine Figuren nicht in Sora sehen wollte, sollte sich nachträglich beschweren, war die Haltung von OpenAI. Auch das hat sich inzwischen geändert, wie Sam Altman mitteilte. Stattdessen geht die KI-Firma nun – nach Beschwerden und offenbar auch rechtlichen Drohungen – den umgekehrten Weg.
Nur wer explizit zustimmt, dessen urheberrechtlich geschützten Figuren sollen den Nutzern von Sora zur Verfügung stehen. Und das auch nur, wie es die Rechteinhaber möchten. Angeblich möchten das so einige, wie Altman im Podcast vom Investor Ben Horowitz sagte.
Aber auch so bleibt Sora extrem wild.
AI Slop oder auch Kunst?!
Die optische Qualität der mit dem Sora-2-Modell generierten Videos ist nur bedingt besser als die der Konkurrenz. Veo 3, Kling 2.5 und andere aktuelle Modelle können ähnlich überzeugende Szenerien oder ansprechende Anime-, Trickfilm- und Animationsclips erstellen. Sora 2 brilliert jedoch in einer Hinsicht, in der alle anderen bisher bekannten Modelle unterlegen sind: Es folgt sehr ausführlichen Prompts überraschend akkurat – und hat sogar eine Art Verständnis dafür, was der Nutzer wohl will. Es kleidet Charaktere wie beschrieben ein, setzt oft selbst kleine Details in der Umgebung korrekt um und legt den Figuren jene Worte in den Mund, die vorgegeben waren. Sogar Schnitte und Perspektivwechsel trifft es oft zielgenau. Gleichzeitig ist es in Verbindung mit der Sora-App ebenso gut darin, aus sehr kurzen Prompts vergleichsweise komplexe Videos zu erstellen, indem es selbstständig Dialoge hinzufügt, Schnitte setzt und eine „Dramaturgie“ entwickelt.
Das hat durchaus seinen Reiz. Manche Nutzer spielen mit kurzen, absurden Prompts und sind gespannt, was dabei herauskommt. Sie testen und probieren. Andere fordern das Modell mit extrem detaillierten Prompts heraus, um zu sehen, wie weit sie Sora treiben können. Das Resultat ist ein nahezu endloser Feed an Videos, von denen der Großteil gut und gerne als AI Slop bezeichnet werden kann. Also KI-Kreationen, in die weder viel Zeit noch Gedanken investiert wurden und die schnell wieder vergessen sind. Im Feed finden sich aber auch immer wieder beeindruckende, kreative oder einfach witzige Kreationen, die es ohne solche KI-Video-Werkzeuge sicher nicht gäbe.
Da stellen Nutzer mit Sora mit einzelnen Videos in ihrem Konto einen Horror-Thriller-Streifen im Found-Footage-Stil nach. Andere lassen Sora imaginieren, wie moderne Internet-Giganten wie Netflix, Google und Co. wohl in den Frühzeiten des Internets ausgesehen hätten. Sie verwandeln bekannte Filme in Puppen-, Stop-Motion- und Zeichentrickfilme. Manches davon ist faszinierend anzuschauen. Ebenso versuchen sich Nutzer in einem unausgesprochenen Spiel, sich gegenseitig dabei zu übertreffen, sich – und insbesondere Sam Altman – mit den Cameo-Funktionen in immer absurdere und bizarrere Situationen zu setzen. Und zumindest Letzteres ist eine, zugegeben, merkwürdige, aber definitiv soziale Erfahrung, die diese sonst vollständig artifizielle Plattform doch irgendwie menschlich macht.
Erfolg in der Nische
Die Begeisterung der Nutzer bleibt allerdings nicht folgenlos: Seit dem Start von Sora ist OpenAI bereits mehrfach an die Grenzen seiner Rechenkapazitäten gestoßen. Immer wieder wurde die Zahl der gleichzeitig erstellbaren Videos von fünf auf drei reduziert und Nutzer gebeten, die Generierung ihres nächsten Videos wegen „heavy load“ zu verschieben – und es in ein paar Minuten später noch mal zu versuchen. Wie lange die Begeisterung anhält, die dafür sorgt, bleibt abzuwarten. Denn auch der Hype um den neuen Bild-Generator in ChatGPT, der im Mai 2025 unzählige Nutzer begeisterte und für eine Flut an Bildern im Stil des japanischen Anime-Studios Ghibli führte, flachte ebenso schnell wieder ab, wie er aufgekommen war. Stattdessen ist der in ChatGPT integrierte Bild-Generator für viele nun ein Werkzeug wie jedes andere auch.
Nichtsdestotrotz demonstriert OpenAI mit Sora, dass sich eine breite Masse an Menschen für KI-Video-Kreationen begeistern lässt – die vorher vielleicht noch nicht so viel Berührung damit hatte. Und dass solche Plattformen eine soziale Ader entwickeln können. Ob das letztlich ausreicht, um Sora in ein echtes Social Network zu verwandeln, das Nutzer täglich aufrufen – wie TikTok, Instagram und Co. –, ist fraglich. Denn die Faszination für das Neue ist eben nun einmal recht flüchtig.
Aber zumindest in einer Nische könnte sich Sora durchaus etablieren, wenn es den Nutzern regelmäßig neue Anstöße und vor allem mehr Kontrolle und Werkzeuge an die Hand gibt, die nicht nur kurze Clips, sondern echte Narrative und unterhaltsame Inhalte erarbeiten lassen. Wie stark KI-generierte Inhalte begeistern können, zeigt sich bereits auf Plattformen wie Reddit, auf denen Personen freudig ihre KI-Videos vorführen, darüber debattieren und sie gegenseitig kritisieren.
Folgenlose Deepfakes?
Selbstverständlich sorgt Sora aber auch aus anderen Gründen für Debatten. Denn das, was Nutzer damit generieren, erscheint dann und wann erschreckend glaubwürdig. Vor allem die mit Sora 2 erstellten Polizei-Bodycam- und Überwachungskameraaufnahmen können auf den ersten Blick durchaus überzeugen, sofern man nicht aktiv nach Fehlern und Inkonsistenzen sucht. Perspektive, Licht und sogar der eingeblendete Text sind oft stimmig – oder zumindest stimmig genug. Wer bisher solche Videos erstellen wollte, musste dafür zumindest etwas Aufwand betreiben. Mit Sora genügt nun ein OpenAI-Account samt ChatGPT-Plus-Abo.
Das kleine Sora-Logo, das in den generierten Filmchen umherspringt, lässt sich leicht entfernen. Darüber hinaus ist Sora 2, wie auch schon das Originalmodell, der Konkurrenz lediglich ein Stück weit voraus. Es wird wohl nur einige Monate dauern, bis neue und zum Teil wohl vollkommen frei nutzbare Modelle zu Sora 2 aufholen. Einzelne Personen und Organisationen warnen bereits davor, dass nun tatsächlich das Ende einer Ära gekommen ist, in der sich ohne Nachforschungen sagen lässt, was im Internet real ist und was nicht.
Auch innerhalb von OpenAI scheint Sora nicht unumstritten zu sein. So schrieb der OpenAI-Entwickler Boaz Barak auf X – ehemals Twitter –, er spüre eine Mischung aus „Sorge und Aufregung“, das Modell und die Plattform auf die Welt loszulassen. Denn es lasse sich nicht sagen, ob genug getan wurde, um all die Fallstricke zu vermeiden, die beispielsweise zu ungewünschten Deepfakes führen könnten. Tatsächlich sorgen manche Sora-Videos bereits für öffentliche Debatten. So wurde die Plattform eben nicht nur genutzt, um skurrile Videos mit Pokémon und Spongebob zu erzeugen, sondern eben auch verstorbenen Personen wie Michael Jackson, dem Physiker Stephen Hawking oder dem Comedy-Schauspieler Robin Williams. Die Tochter von Williams findet es nicht gut, dass ihr Vater dafür genutzt wird.
„Wenn du auch nur einen Funken Anstand hast, dann hör auf, ihm, mir und allen anderen das anzutun“, so Zelda Williams. „Es ist dumm, eine Verschwendung von Zeit und Energie und glaub mir, es ist nicht das, was er wollen würde.“ Tatsächlich hat Robin Williams verfügt, dass sein Aussehen frühestens 25 Jahre nach seinem Tod wieder kommerziell verwertet werden darf. OpenAI scheint mit Sora gegen den Wunsch des Schauspielers zu verstoßen. Aber auch einige noch lebende Schauspieler und Personen des öffentlichen Lebens scheinen wenig angetan, sich in Sora-Videos wiederzufinden. Ob das okay ist, das dürften wohl Gerichte entscheiden.

Michael Förtsch
Leitender Redakteur
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