3. Februar 2025
Deutschland braucht Sonderwirtschaftszonen für Innovation

Kurz vor der Bundestagswahl zieht unser Kolumnist Thomas Sattelberger Bilanz: Deutschland als Innovationsstandort ist ein echter Sanierungsfall. Er wünscht sich von einer künftigen Regierung daher disruptive Ideen, etwa Sonderwirtschaftszonen für Zukunftstechnologien. Dass mutige Reformen erfolgreich sein können, beweisen Spanien, Griechenland und Irland, die vor Jahren noch als wirtschaftliche „Schmuddelkinder“ galten.
Eine Kolumne von Thomas Sattelberger
Kurz vor dem Jahreswechsel veröffentlichte der Economist einen Beitrag mit dem Titel „What Spain can teach the rest of Europe“, in welchem das renommierte Wirtschaftsmagazin zuerst Spanien gefolgt von Griechenland und Irland als Top-Performer unter den wohlhabenden Nationen identifizierte – gemessen an dem Wachstum des Bruttoinlandsproduktes, der Inflationsrate, der Arbeitslosigkeit, der Fiskalpolitik und der Performance am Aktienmarkt.
Ironie der Geschichte: Von Schmuddelkindern zu Spitzenreitern
Spanien galt 2008 als Inbegriff ökonomischen Versagens in der Todesspirale von Bankenabsturz und seiner geplatzten Bau- und Immobilien-Bubble. Griechenland war das bankrotte Schmuddelkind Europas, dem deutsche Politiker Anfang 2010 den Rat gaben, nicht nur seine Infrastruktur zu privatisieren, sondern auch seine Inseln zu verkaufen. Irland galt als eines der am stärksten gebeutelten Länder unter dem EU-Rettungsschirm mit drastischen Einschnitten sogar bei Kindergeld und Beamtengehältern.
Um die 15 Jahre später sind diese Nationen auf dem Siegertreppchen des Economist mit dem bis in jüngster Zeit geschmähten Italien dicht dahinter auf Platz 5. Deutschland dagegen landet abgeschlagen auf Platz 23, gefolgt von Slowenien, Japan, Frankreich und Ungarn. Übrigens nur einen Platz besser als der 24. Platz im World Competitiveness Ranking 2024, welches als das weltbeste Ranking angesehen wird, da es seit 1989 nicht nur die Performance, sondern auch die Zukunftsindikatoren und Enabler erfasst.
Ich nenne hier nur die Kennziffern Deutschlands, die in der hinteren Hälfte der 67 untersuchten Ländern zu finden sind: Preise (53), Steuerpolitik (62), Regulatorik für Unternehmen (38), Effizienz des Arbeitsmarktes (36), Managementpraktiken (39), Gesellschaftliche Werte, Arbeitsethik und unternehmerischer Geist (60 sic !), Grundlegende Infrastruktur (35), technologische Infrastruktur (37).
Deutschland: Vom Champion zum Schmuddelkind
Welche Ironie der Geschichte: Vor rund zehn Jahren stand Deutschland noch weit oben und landete auf dem sechsten Platz. Die Schröder‘schen Hartzreformen 2003 bis 2005 hatten ihre volle Wirkung entfaltetet. Doch dann folgte dieser Dekade voll positiver Wirkung die Dekade negativen Rückbaus der Reform.
Der Abstieg Deutschlands zum „kranken Mann“ der westlichen Industrienationen, aber auch die Bedingungen seiner Sanierung und Erholung werden Schlüsselthema für 2025 und erst recht für die Jahre danach werden.
Drei Wegweisungen hierfür:
Finger weg von missratener staatlicher Technologie- und Industriepolitik
Die Liste geplatzter technologie- und industriepolitischer Großprojekte zur Sicherung der Energiewende und des Automobilstandorts Deutschland ist ähnlich lang wie die der Fabelwesen in den Zauberbüchern Harry Potters. Sie beginnt jüngst mit dem finanziell angeschlagenen schwedischen Batteriehersteller Northvolt, der sein geplantes Werk in der schleswig-holsteinischen Heide stornierte. Die Beteiligung des Bundes und des Landes in Höhe von über 600 Millionen ist wahrscheinlich in den Sand gesetzt. Auch die mit zehn Milliarden Euro Förderung geplante Chipfabrik von Intel in Magdeburg ist tot. Ich erinnere ungern an meine Warnung vor der Nomaden-Logik globaler Konzerne in einem früheren Artikel zur Chipstrategie der Bundesregierung.
Die im Saarland geplante Chipfabrik des US-Konzerns Wolfspeed zusammen mit der ZF Friedrichshafen ist ebenso gecancelt, die Giga-Factory für Batteriefertigung des europäischen Automobilgiganten Stellantis, das grüne Stahlwerk von Arcelor Mittal in Bremen – alles Luftschlösser. Einzig die Projekte von Infineon und der taiwanesischen TSMC (unter dem deutschen Namen ESMC) in Dresden leben bisher weiter.
Der Mythos Staat ist bei Technologie und Innovation als Rohrkrepierer geplatzt
Die Fehleinschätzung der Wirtschaftswissenschaftlerin Mariana Mazzucato habe ich bereits kommentiert, die staatlich initiierte US-Innovationspolitik auf unser bürokratisches deutsches Beamtenland übertragen will. Sie ist für die Grünen wie für die SPD eine Kronzeugin für einen Staat, der als Lenker, Investor und Unternehmer in Wirtschaft, Forschung, Technologie und Innovationsförderung interveniert.
Mazzucatos Ideen mögen mit innovationserprobtem US-Spirit und dortigen agilen Innovations-Architekturen funktionieren. Kommt deutsche Mentalität ins Spiel, wird ein Rohrkrepierer daraus. Wenn sich Deutschland und seine nächste Bundesregierung nicht von diesem Irrweg verabschieden, geht es weiter bergab. Was wäre ein Ausweg aus der Sackgasse?
Freiheit für Innovationsökosysteme – in einer Koalition der Willigen