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3. September 2025

Chinesische Hersteller holen bei KI-Chips auf – können sie Nvidia überholen?

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Dass chinesische Unternehmen den USA bei der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz ernsthaft Konkurrenz machen, ist inzwischen bekannt. Jetzt scheint China auch bei leistungsstarken Computerchips aufzuholen, die es für KI braucht. Das einst defizitäre Unternehmen Cambricon macht Millionengewinne, ist der Star an der Börse – und bringt bald einen Chip heraus, der den Abstand zum US-Weltmarktführer Nvidia weiter verkürzen soll. Es ist nicht der einzige chinesische Player, den man auf dem Schirm haben sollte.

 

Von Michael Förtsch

 

Mittlerweile ist es über ein halbes Jahr her, dass das chinesische KI-Start-up DeepSeek mit seinem R1-Modell für einen Schock im Silicon Valley und an den Börsen gesorgt hat. Die frei nutzbare Open-Source-KI war ähnlich leistungsfähig wie die proprietären Modelle von OpenAI und Anthropic, aber vollkommen kostenfrei – und angeblich für nur sechs, statt hunderte Millionen Euro trainiert worden. Die Wellen der Verunsicherung scheinen mittlerweile angebrandet zu sein. Ihre Wirkung hält dennoch an. Denn nicht nur der Einfluss und das Interesse an chinesischen KI-Unternehmen wächst, sondern auch das an chinesischen Chip-Hersteller. Bislang kaum bekannte und teilweise noch sehr junge Hardware-Unternehmen fordern gezielt westliche Giganten heraus, um die es zuvor kein Herumkommen zu geben schien. Das Kräfteverhältnis könnte sich dadurch in wenigen Jahren verschieben.

 

Ein aktuelles Warnzeichen für die westlichen Chip-Giganten Nvidia und AMD ist die Kursexplosion von Cambricon Technologies. Das Unternehmen wurde 2016 von Chen Yunji und Chen Tianshi aus einem Forschungsprojekt der Chinesischen Akademie der Wissenschaften ausgegründet, um GPU-Chips für Machine-Learning-Prozesse zu fertigen. Das gelang, allerdings mit hohen Verlusten, die vor allem durch Forschungs- und Entwicklungsbemühungen entstanden. Im Jahr 2023 stellte das Unternehmen dann den Siyuan-590-Chip vor, der immerhin 80 Prozent der Leistung des zu dieser Zeit viel genutzten Nvidia-A100-Chipsatzes erreichen konnte. Der TikTok-Entwickler ByteDance, der auch die KI-Bild- und Videomodelle Seedream und Seedance verantwortet, soll 2024 angeblich über 20.000 davon bestellt haben.


Der Grund? Die USA erließen im Jahr 2022 Exportbeschränkungen für leistungsstarke KI-Chips wie die H100- und A100-GPUs für China. Zunächst, um die Nutzung in militärischer Technologie zu verhindern, die sich gegen die USA und ihre Partner richten könnte. In den folgenden Jahren sollten damit aber auch die Aufholjagd in der Entwicklung von leistungsstarken KI-Modellen verlangsamt werden. Offenbar gelang das mit überschaubarem Erfolg, wie Unternehmen wie DeepSeek, Ziphu AI, Minimax, ByteDance, Alibaba Cloud oder Moonshot AI mit ihren KI-Modellen demonstrierten. Zum einen fanden und finden Nvidia-GPUs auch weiterhin ihren Weg nach China, wie eine über drei Stunden lange Recherche-Doku von Gamers Nexus zeigt. Und zum anderen beschleunigten die US-Restriktionen die Anstrengungen Chinas, eigene konkurrenzfähige Chips zu entwickeln – mit durchaus beeindruckenden Ergebnissen.


Die Siyuan-590-Chips haben Cambricon nach stetigen Verlustjahren plötzlich auf dem heimischen Markt Gewinne in Millionenhöhe beschert. Im ersten Halbjahr 2025 ist die Aktie des Unternehmens um mehr als 4.000 Prozent gestiegen, was selbst dem Unternehmen unheimlich ist, wie das Handelsblatt berichtet. Derzeit bereitet das Unternehmen den Start seines neuen Chipsatzes Siyuan 690 vor. Dieser soll Kapazitäten bieten, die noch näher an aktuelle Nvidia-Chipsätze heranreichen. Er könnte gemeinsam mit anderen lokalen Alternativen, wie dem Ascend 910C von Huawei, der sehr leistungsstark, aber ineffizient arbeiten soll, den seit kurzem wieder für den Export nach China freigegebenen Nvidia-H20-Chipsatz unattraktiv machen.


Das zeigt deutlich, dass sich chinesische Unternehmen nicht mehr auf westliche KI-Chips verlassen  wollen – auch, weil sie es gar nicht können. Stattdessen möchten sie eigene Halbleiter-Ressourcen aufbauen, die mit westlicher Hardware konkurrieren sollen. Dahinter steckt auch zunehmender Druck der Regierung der Volksrepublik.


China übt den Chip-Push!


Erst im Juli hat ein Zusammenschluss mehrerer chinesischer Unternehmen angekündigt, die Abhängigkeit von westlicher Technologie zu reduzieren. Die Model-Chip Ecosystem Innovation Alliance will ein „heimisches Ökosystem“ schaffen, das die chinesische KI- und Digitalwirtschaft gegen Exportbeschränkungen immunisiert. Von der Entwicklung von Chips und der Architektur der KI-Modelle über deren Training bis hin zur KI-Nutzung soll eine aufeinander abgestimmte Infrastruktur entstehen, erklärte Zhao Lidong, CEO des KI-Chip-Start-ups Enflame. Weitere Mitglieder der Allianz sind der Technologie-Gigant Huawei, die Chip-Designer Biren Technology und Moore Threads, der Grafikbeschleuniger für Rechenzentren und Gaming-PCs entwickelt. Viele der Gründer dieser Unternehmen haben zuvor bei Nvidia, AMD oder Qualcomm gearbeitet.


Parallel zur Model-Chip Ecosystem Innovation Alliance hat sich das AI Committee der Shanghai General Chamber of Commerce gebildet. Es soll vor allem die Implementierung von KI-Prozessen in Industrie und Wirtschaft sowie eine „intelligente Transformation“ vorantreiben. Dafür wirkt es auf eine eng verzahnte Forschung, Entwicklung, Produktion und Integration sowie eine enge Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Firmen hin. Zu diesen gehören unter anderem Sensetime, das einst für seine Gesichtserkennungssoftware bekannt war, nun aber an Sprachmodellen arbeitet, der Chatbot-Entwickler Stepfun, Minimax, das für seine KI-Video-Modelle und seinen KI-Agenten bekannt ist, sowie die Chip-Entwickler Metax und Illuvatar CoreX.


Unbestätigte, aber von Experten als glaubwürdig eingestufte Meldungen berichten von Richtlinien aus Peking und von Lokalregierungen, die Tech-Unternehmen und unabhängige Betreiber von Rechenzentren dazu drängen, heimische Rechenkapazitäten zu fördern. Laut der South China Morning Post wurde etwa Betreibern in Shanghai das Ziel gesetzt, den „Anteil der einheimischen Computer- und Speicherchips in den intelligenten Rechenzentren der Stadt bis 2025 auf über 50 Prozent“ zu erhöhen. Zwischenzeitlich soll eine ähnliche Vorgabe landesweit etabliert worden sein. Im August dieses Jahres soll sogar eine Anweisung an chinesische Tech-Unternehmen ergangen sein, aus Gründen der nationalen Sicherheit gänzlich auf Nvidia-Chips zu verzichten, da diese über Hintertüren für US-Geheimdienste verfügen könnten. Nvidia hat diesem Vorwurf scharf widersprochen.


DeepSeek wiederum hat die Veröffentlichung neuer KI-Modelle mehrfach verschoben, um sie für „bald erscheinende Chips der nächsten Generation aus heimischer Produktion“ zu optimieren. Das erste dieser Modelle ist DeepSeek V3.1. Das löste zwar keinen Hype wie damals R1 aus, aber demonstrierte erneut Fähigkeiten, die kommerziellen Modellen kaum nachstehen. Die chinesische Regierung soll DeepSeek mit Nachdruck „ermutigt“ haben, insbesondere mit den Ascend-Chips von Huawei zu arbeiten.


Zahlreiche Unternehmen arbeiten an KI-Chips


Neben Cambricon und Huawei haben zahlreiche weitere chinesische Unternehmen eigene KI- beziehungsweise GPU-Chips angekündigt. Diese sollen Nvidia-Produkte herausfordern oder gar überflüssig machen. Enflame hat mit dem L600 einen speziell für das KI-Training und die Interferenz gedachten Chip angekündigt. MetaX arbeitet mit dem C600 an einem vergleichbaren Chip, der besonders viel Speicher bieten soll. Huawei plant mit dem 910D eine neue Variante seiner Ascend-Chips. Bereits im Einsatz sind die Kunlun-Chips von Baidu, die auch in Rechenzentren des staatlichen Kommunikationsunternehmens China Mobile installiert werden sollen. Alibaba soll an einem noch namenlosen neuen KI-Chip arbeiten, um mit Nvidia gleichzuziehen. Moore Threads hat mit der MTT S90 wiederum eine auch für Endkunden geeignete Grafikkarte mit starker GPU präsentiert. Diese liefert zwar beim Gaming eine sehr wechselhafte Performance, demonstriert aber bei der Nutzung von LLMs eine überraschende Leistung.


Experten zufolge ist es dennoch nicht zu erwarten, dass China allzu bald völlig auf Nvidia-Chips für seine KI-Infrastruktur verzichten kann. Eine Herausforderung ist der Rückstand bei flexiblen und stabilen Software-Ökosystemen wie Nvidias CUDA, . Dessen Entwicklung begann im Jahr 2006. Heute bietet CUDA Entwicklern und Anwendern die Möglichkeit, Nvidia-KI-Chips mit einer Vielzahl von Programmbibliotheken und Frameworks wie PyTorch, TensorFlow oder JAX anzusprechen sowie Arbeits- und Rechenschritte zu überwachen und zu optimieren.


Nahezu die gesamte KI-Industrie ist von CUDA abhängig und auf dessen Nutzung eingestimmt. Alibaba, Baidu und Cambricon arbeiten daher daran, ihre eigenen Chips möglichst mit CUDA kompatibel zu gestalten. Jedoch sollen sich hierbei Probleme bei Auslastung und Rechenleistung zeigen. Moore Threads und Huawei arbeiten wiederum mit MUSA SDK und CANN an Alternativen zu CUDA sowie an Möglichkeiten, CUDA-Arbeitsabläufe zu diesen zu konvertieren. Jedoch fehlen hier sowohl Jahre der Optimierung als auch eine entsprechende Community aus Forschern, Industrie- und Hobby-Anwendern, die zur Entwicklung beitragen könnten. 


Es fehlt an Produktionskapazität und Wissen


Ein weiterer und wohl der entscheidenste Flaschenhals für die chinesische Chip-Industrie sind fehlende Fertigungstechniken und Kapazitäten. Selbst wenn chinesische Unternehmen bereits Halbleiter entwickeln würden, die mit den aktuellen Architekturen von Nvidia mithalten oder diese übertreffen könnten, wären sie nicht in der Lage, diese in der benötigten Qualität und Stückzahl selbst herzustellen. Denn derzeit ist das taiwanesische Unternehmen TSMC de facto der einzige Halbleiterfabrikant, der modernste Chips mit Leiterbahnen vom 7- bis hinunter zum 3-Nanometer-Bereich in großen Chargen in gleichbleibender Qualität produzieren kann. Nvidia, AMD, Qualcomm und nahezu alle Chipentwickler lassen daher bei TSMC fertigen. Zwar verfügt auch Samsung mittlerweile über die Möglichkeiten, feinstrukturierte Chips herzustellen, jedoch nicht mit hoher Zuverlässigkeit und in großen Mengen.


Auch fortschrittliche Chips aus China wurden daher offenbar in der Vergangenheit trotz Exportbeschränkungen von TSMC gefertigt. So soll Huawei über das KI-Unternehmen Sophgo als Mittelsmann mehrere Aufträge zur Fertigung eigener Halbleiterdesigns für insgesamt drei Millionen Chips mit dem taiwanesischen Unternehmen abgewickelt haben. TSMC droht deshalb derzeit eine Strafe in Milliardenhöhe, weshalb Auftraggeber nun noch strenger überprüft und Lieferungen engmaschiger überwacht werden sollen.


Für neuere Chips müssen chinesische Unternehmen daher auf heimische Produktionskapazitäten zurückgreifen. Diese sind jedoch noch sehr begrenzt. SMIC mit Sitz in Shanghai ist derzeit der größte und fortschrittlichste Halbleiterhersteller des Landes. In Kooperation mit Huawei konnte das Unternehmen bereits im 7-Nanometer-Bereich fertigen – und mit hohen Fehlerraten auch im 5- bis 3-Nanometer-Bereich. Der Kapazitätsaufbau und die Fertigungsoptimierung sind allerdings durch Exportbeschränkungen für Equipment, wie etwa EUV-Lithografieanlagen, stark begrenzt. Dennoch soll in diesem Jahr eine weitere Fabrik eröffnet werden, offenbar in Kooperation von SMIC und Huawei, und im kommenden Jahr zwei weitere.


Weitere chinesische Fabs wie Hua Hong und Nexchip sind technologisch noch weiter abgeschlagen und bislang lediglich für die Halbleiterfertigung in den Bereichen Automobil-, Kamera- und Videoindustrie, Heimautomatisierung, und IoT relevant. Es scheint daher schwer vorstellbar, dass China trotz möglicherweise fortschrittlicher Chip-Designs den eigenen Bedarf an Rechenressourcen befriedigen kann, geschweige denn Nvidia auf dem internationalen Markt herausfordern kann. Oder doch?


Die Aufholjagd läuft


Zahlreiche Technologieexperten, darunter Kevin Xu, Fondsmanager bei Interconnected Capital, warnen davor, die Ambitionen der chinesischen Technologiebranche und deren Bereitschaft, beispielsweise Exportbeschränkungen zu umgehen oder die heimische Branche mit externen Experten – oder sogar Industriespionage – voranzutreiben, zu unterschätzen. Erst im vergangenen Jahr wurde durch eine Recherche des Wall Street Journals bekannt, dass Headhunter von Huawei unter anderem Mitarbeiter des Optikspezialisten Zeiss SMT sowie verschiedener hochspezialisierter Hersteller von Fertigungsmaschinen und Steuerungssystemen kontaktierten, die zentrale Komponenten für die Produktion moderner Halbleiter herstellen.

 

Per E-Mail, über LinkedIn und in Telefonaten wurden ihnen Verträge für einen Wechsel zu Huawei und dessen Tochterfirmen, die sich mit Halbleiterherstellung befassen, angeboten. Den Fachleuten soll teils das bis zu Dreifache ihres aktuellen Gehalts offeriert worden sein. Ein Sprecher des Laserspezialisten Trumpf sagte dem Wall Street Journal, es habe „verstärkte Annäherungen von chinesischen Unternehmen“ gegeben. Diese seien – Stand 2024 – bislang aber erfolglos geblieben.

 

In anderen Ländern soll es ähnliche Anwerbungsversuche gegeben haben. Darunter in den USA, den Niederlanden, Südkorea, der Schweiz, Großbritannien, Japan und natürlich Taiwan. Und einige der Rekrutierungsanstrengungen sollen durchaus erfolgreich gewesen sein. In Taiwan gibt es strenge Regularien für das Abwerben von Mitarbeitern aus technologisch kritischen Bereichen und für die Weitergabe sensibler Informationen, insbesondere nach China. Seit 2020 wurden daher in über 90 Fällen Ermittlungen aufgenommen. Aber auch in Deutschland hat die Kampagne aus China für Unruhe gesorgt und sogar den Bundesverfassungsschutz auf den Plan gerufen.

 

Derzeit wird der Rückstand Chinas gegenüber TSMC und Samsung in puncto Fertigungsqualität und Kapazität von Experten auf drei, fünf und sogar 15 Jahre geschätzt. Zumindest was die Fertigungskapazität angeht, prognostiziert das Marktforschungsinstitut Yole Group , dass die führenden Halbleiterhersteller in China bis 2030 zu TSMC aufschließen und sogar überholen könnten. Was die Fertigungsqualität und damit die Massenfertigung von KI-Chips der neuesten Generation betrifft, könnte die Aufholjagd andauern – bis Ende des Jahrzehnts aber deutlich enger werden.

Michael Förtsch

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